Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 92. Sitzung / Seite 41

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Sie wissen, Ihre zweite Aufgabe, die Kriminalitätsbekämpfung insbesondere im Groß­raum Wien und damit auch in Niederösterreich, steckt in der Krise. Innenminister Strasser hat etwas getan, was absolut nicht zu verantworten ist: Er hat Beamte aus der Kriminalitätsbekämpfung, insbesondere aus dem Bereich der Einbruchsdiebstähle, abgezogen, um große, publikumswirksame Show-Ratien gegen Straßendealer insbe­son­dere in Wien durchzuführen, so nach dem Rezept: Am Abend einsperren, in der Früh wieder laufen lassen. (Abg. Dr. Fekter: Nicht wahr!)

Frau Bundesministerin Prokop, Sie wissen, dass Sie das Problem Drogenpolitik, und zwar nicht nur in Wien, nur dann lösen können, wenn Sie Unterstützung aus anderen Teilen der Regierung erhalten, wenn Sie nicht der Polizei ein Problem aufhalsen, das die Polizei als solche nicht lösen kann. Entweder gibt es eine ernst zu nehmende Drogenpolitik, die sich an dem notwendigen anderen Umgang mit Suchtkranken orientiert – oder Sie schicken Ihre Kriminalbeamten weiterhin in hoffnungslose Unter­fangen und werden jedes Jahr an Hand der Kriminalitätsstatistik feststellen müssen, dass Sie gescheitert sind.

Es gibt einen dritten wichtigen Punkt: Viele Beamtinnen und Beamte Ihres Ressorts sind demotiviert, weil ihnen der Innenminister immer stärker und immer drängender nur eine Frage gestellt hat: Welches Parteibuch hast du? Noch nie hat es eine derart radikale und weitgehende politische Umfärbung eines Ressorts gegeben. Noch nie hat es dermaßen viele Beamtinnen und Beamte gegeben, die nicht wissen, wie es mit ihrer beruflichen Zukunft aussieht, weil sie eben kein Parteibuch der Österreichischen Volks­partei haben! Und noch nie sind so viele Kriminalbeamte, insbesondere in Wien, in Frühpension gegangen, weil sie den politischen Druck im Haus nicht mehr ausgehalten haben. Und auch da sind Sie eine Antwort schuldig: Werden Sie die Parteibuch­wirtschaft in Ihrem Haus beenden – oder werden Sie die Linie der niederöster­reichischen ÖVP im Innenressort weiterführen?

Eine letzte große Frage ist die Frage nach dem Zivildienst. Wie werden Sie mit dem Zivildienst umgehen? Es hilft den Zivildienern nicht viel, wenn Sie sagen, der Zivildienst ist etwas Gutes, die Zivildiener sollen unterstützt werden und wir werden über die Verkürzung des Zivildienstes sprechen. Frau Bundesminister! Wir sprechen schon längst über die Verkürzung des Zivildienstes! Das ist eine alte Debatte! Aber für die Präsenzdiener ist die Verkürzung des Präsenzdienstes bereits beschlossene Sache. Warum haben Sie heute keine Antwort auf die Fragen nicht nur der Zivildiener, auf wie viele Monate, auf welche Zeit der Zivildienst reduziert werden wird? Warum bringen Sie die beiden einfachen Worte „sechs Monate“ nicht über Ihre Lippen? (Beifall bei den Grünen.)

Warum sind Sie nicht bereit, Zivildiener gleich zu behandeln, und warum sind Sie nicht bereit, einem Beschluss des Oberösterreichischen Landtages zu folgen, wo die ober­österreichische ÖVP gemeinsam mit uns Grünen der Bundesregierung und dem damaligen Innenminister gesagt hat, wie es gehen könnte?

Das ist das Problem, Frau Bundesminister! Sie hätten heute die Chance gehabt, auf vier große Fragen zumindest vier konkrete Antworten zu geben. Wir wissen nach Ihrer Vorstellung nicht, ob Sie den Kurs von Ernst Strasser fortsetzen – oder ob Sie den Mut und die Einsicht in die Notwendigkeit eines großen Kurswechsels haben.

Es geht nicht nur um die Frage der Menschlichkeit, die schon allein ein ausreichender Grund für einen Kurswechsel wäre, sondern es geht auch um die Frage der Vernunft. Gegen den Verfassungsgerichtshof, gegen demotivierte Beamte, gegen Andersden­kende, gegen die öffentliche Kritik und letzten Endes auch gegen das Parlament können auch Sie – mit aller Unterstützung der ÖVP in Niederösterreich und in Wien – das Innenressort nicht führen! Ernst Strasser ist nicht nur gescheitert, weil sein Kurs


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