Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 99. Sitzung / Seite 46

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Sie bringen dafür folgende Argumente: Diese Angelegenheit sei so wichtig und so komplex. – Vergleicht man das mit anderen Vorhaben, die der Verfassungsausschuss dieses Hauses beschlossen hat, stellt sich schon die Frage, wie Sie messen, was wichtig und was komplex ist.

Die Bundesverfassungsgesetznovelle von 1929, die eine sehr weit reichende Novelle war, wurde im Verfassungsausschuss behandelt, also: kein Sonderausschuss! Die Erweiterung der Europäischen Union, ein sehr komplexes Verfassungsgesetz, war im Verfassungsausschuss. Der EU-Beitrittsvertrag war im Verfassungsausschuss, kein Sonderausschuss! Die neue EU-Verfassung, die tatsächlich Rechtswirksamkeit hat, die die österreichische Bundesverfassung auch ändern wird, ist sehr komplex, sehr wichtig – und war auch im österreichischen Verfassungsausschuss. (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Baumgartner-Gabitzer und Dr. Brinek.)

Der Bericht des Österreich-Konvents hingegen hat überhaupt keine Rechts­wirk­sam­keit! Und ich erinnere Sie daran, wie Sie mit Berichten in der Regel umgehen: Berichte werden im Ausschuss enderledigt, die kommen nicht einmal mehr ins Plenum! (Abg. Dr. Brinek: Stimmt gar nicht!)

Jetzt frage ich Sie noch einmal: Ist das nicht ein bisschen eine krause Argumentation? Ist es nicht eine etwas unlogische Argumentation (Abg. Dr. Brinek: Nein!), dass das „so wichtig“, „so komplex“ sei? Die EU-Verfassung, der Beitrittsvertrag – alles nicht wichtig, alles nicht komplex, kein Sonderausschuss? Und für den Bericht des Öster­reich-Konvents gibt es erstmals in der österreichischen Verfassungsgeschichte einen Sonderausschuss? Erlauben Sie uns doch eine gewisse Skepsis und ein gewisses Misstrauen, dass da andere Gründe dahinter stecken.

Einen dieser Gründe hat Kollege Cap schon genannt, nämlich die tatsächliche Verkür­zung von Oppositionsrechten, indem man Ausschüsse, die von Abgeordneten der Opposition geleitet werden, zu umgehen versucht. Ein zweites Argument könnte viel­leicht auch noch zutreffen – das ist meine Interpretation –: Das Scheitern des Öster­reich-Konvents, das Scheitern auch dieser Verfassungsreform in dieser sehr, sehr umstrittenen Form des Österreich-Konvents, also außerhalb dieses Hauses, außerhalb des Parlaments soll überdeckt werden, weil es tatsächlich in der Verantwortung der ÖVP liegt, dass hier nichts herausgekommen ist (Rufe bei der ÖVP: Na geh!), und da vor allem wegen der Föderalismusfrage.

Da werden mir alle Kommentatoren Recht geben, das ist kein Zynismus, das ist tatsächlich das wahre Problem gewesen: Sie haben es nicht geschafft, einen moder­nen Kompetenzkatalog auf den Tisch zu legen. Wir haben es heute am Vormittag wieder gesehen: In diesem Kompetenzdschungel ist man nicht mehr fähig, die echten Probleme anzugehen und zu lösen. Das ist der wahre Grund! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Jetzt wird versucht, das formal zu überhöhen, mittels eines Sonderausschusses, um dieses Scheitern zu überdecken. Aber noch einmal, es ist ein Präzedenzfall, in der öster­reichischen Verfassungsgeschichte das erste Mal! Es ist einmal von Klubobmann Scheibner das Anliegen gekommen, das so genannte „Österreich zuerst“-Volks­begeh­ren (Abg. Scheibner: Wieso „so genannt“?) – das so genannte! – in einem Son­derausschuss zu diskutieren. Dem ist damals nicht stattgegeben worden.

Es passiert nun das erste Mal, und ich frage mich, warum der österreichische Verfas­sungsausschuss im Vergleich zu all den anderen großen Verfassungsreformen, die er mit Bravour gemeistert hat, gut diskutiert hat, gut vorbereitet hat – auch für das Plenum –, dazu jetzt nicht mehr fähig sein soll. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

11.17

 


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