Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 102. Sitzung / Seite 140

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Ein Ausfluss dieses Denkens ist ja auch folgende Vorgangsweise – ich kann mich noch genau daran erinnern –: In der großen Koalition hat es Gesetze, vor allem Sozial­gesetze, gegeben, die nicht hier im Parlament beschlossen worden sind, sondern da haben die Sozialpartner bestimmt, was ins Gesetz kommt. Im Parlament konnte die Opposition nicht einmal Punkt oder Beistrich ändern, weil alles vom Anfang bis zum Ende abgesprochen war. Das ist Ihre Auffassung von der parlamentarischen Demo­kratie, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Regierung arbeitet, und das Parlament, das vom Staatsvolk gewählt worden ist, soll diese Regierung kontrollieren und soll Anregungen geben, Initiativanträge stellen. Das ist die Aufgabe des Parlaments – aber nicht, der Regierung die Mauer zu machen, so wie wir es ja von Ihnen immer gewohnt sind!

Das ist keine Instabilität, so wie Sie es heute behauptet haben, sondern das ist der gewünschte Zustand in einer parlamentarischen Demokratie. Das müssen Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen! (Zwischenruf des Abg. Öllinger.) Sie sagen, wir wollen das so. Natürlich stelle ich mir das so vor! Das ist doch eigentlich etwas, das wir alle, alle Volksvertreter, wollen sollten: eine Kontrollarbeit! (Abg. Silhavy: Warum machen Sie es dann nicht?) Wir machen es! Beobachten Sie unsere Arbeit und hören Sie endlich auf, ununterbrochen Kritik zu üben! Beobachten Sie auch unsere Arbeit als parlamentarische Fraktion, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Gaál: Für wen stehen Sie denn eigentlich?)

Folgendes möchte ich Ihnen auch noch sagen, weil Sie sich solch große Sorgen um die Gruppierung, die sich abgespalten hat, und um unseren Klub machen: Der Klub ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, eine juristische Person aus frei gewählten Abgeordneten. – Herr Broukal! Lesen Sie nach, vielleicht sind Sie in der Verfassung nicht so bewandert! – Der Klub ist eine eigene juristische Person, und es ist egal, welcher Partei man angehört. Gerade wir Freiheitlichen haben schon immer parteifreie Mitglieder in unserer Fraktion gehabt und haben sie auch jetzt.

Aber, wie gesagt, für diese Tatsachen haben Sie ja überhaupt keine Sensibilität, denn bei Ihnen musste man für jeden Job, den es seinerzeit von der SPÖ zu vergeben gab, und für jede Funktion in Ihrem Klub selbstverständlich der Sozialistischen Partei Österreichs angehören.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Klubobmann Gusenbauer hat heute gesagt: Wir sollen heute über das Budget abstimmen, aber wir wissen nicht, mit wem! (Ruf bei der SPÖ: Mit wem?) – Herr Abgeordneter Gusenbauer ist Politiker – er ist leider jetzt nicht im Saal – und weiß natürlich ganz genau, mit wem er das Budget abstimmen muss und soll. Er ist aber auch Jurist, und deshalb sollte er auch vom verfassungsrechtlichen Standpunkt eine Antwort auf diese Frage finden.

Die Fraktion stimmt mit allen vom Volk gewählten Volksvertretern über dieses Budget ab. So einfach ist das! Und Herr Abgeordneter Gusenbauer und seine SPÖ-Fraktion können sogar zustimmen. Das würde die parlamentarische Arbeit sogar wesentlich erleichtern, wenn er zustimmen würde.

In jeder wirklich gelebten Demokratie würde eine solche Frage, wie sie Herr Abge­ordneter Gusenbauer heute gestellt hat, als absurd angesehen werden, weil man dieses Denken, ein Denken nur in Parteikategorien, überhaupt nicht verstehen würde. In allen anderen parlamentarisch gelebten Demokratien würde Herr Gusenbauer für eine solche Frage dementsprechend behandelt werden: er würde nicht einmal mehr ge­wählt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


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