Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 106. Sitzung / Seite 26

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Maßstäbe. Ehrlich gesagt, wenn der Herr Bundeskanzler offensichtlich kein Problem hat mit über 300 000 Arbeit Suchenden in unserem Land (Zwischenruf bei der ÖVP), es ihm aber als großes Problem erscheint, wenn von einem steirischen Ort in einen anderen steirischen Ort 380 Arbeitsplätze verlegt werden, dann muss ich Ihnen sagen, Herr Bundeskanzler, Ihnen ist das Maß wirklich verloren gegangen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor allem auch zu Hause vor den Fern­sehschirmen! Sie haben soeben ein exzellentes Beispiel umfassender Realitätsver­weigerung erlebt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Jetzt! Jetzt!) Der Herr Bundeskanzler hat uns nicht mitgeteilt: Wer ist denn jetzt eigentlich FPÖ und wer ist BZÖ? Was bedeutet eigentlich diese Neugründung? Welche Bedeutung hat es, dass der Herr Vizekanzler zuerst aus der Bundes-FPÖ austritt, dann aus seiner Landes-FPÖ austritt und sagt, er sei nun beim BZÖ?

Dem Bundeskanzler ist offensichtlich völlig entgangen, dass es sich um einen Auf­lösungsprozess seines Regierungspartners handelt. Und wenn Sie sagen, was schnell und was langsam geht, kann ich Ihnen sagen: Die Geschwindigkeit wird immer größer, was den Auflösungsprozess Ihres Koalitionspartners betrifft. Da haben Sie „speed kills“ beibehalten. Das muss man Ihnen lassen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jede Familie, die ein Haus gemeinsam errichtet und wo dann eine Scheidung der Vermögensverhältnisse stattfindet, ist ver­pflichtet, bekannt zu geben, wer in Zukunft die Kredite für das Haus bezahlen wird. (Ruf bei der ÖVP: So weit sind wir noch nicht!) Bei der FPÖ, bei einer Regierungspartei soll diese Verpflichtung nicht bestehen? Man hat täglich den Eindruck, dass sich beide, BZÖ und FPÖ, davor drücken wollen, die Rückzahlung der angehäuften Altschulden zu tätigen. Das heißt, das, was jeder anständige Österreicher ganz selbstverständlich zu erledigen hat, soll für eine Regierungspartei in diesem Land nicht gelten?

Das ist eine Vorgangsweise, die wirklich unerträglich ist, denn für politische Parteien muss noch allemal dasselbe gelten wie für die anständigen Leute in unserem Land! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich weiß nicht, Herr Bundeskanzler, ob Sie das verfolgen, aber jeden Tag gibt es neue Meldungen über Austritte aus der FPÖ, neue Meldungen über wechselseitig ange­drohte Klagen zivilrechtlicher Natur, über Vermögensfragen. Jeden Tag gibt es neue Unklarheiten in Bezug auf eine Partei, die Mitglied der österreichischen Bundesregie­rung ist. Und Sie stellen sich her und sagen: Alles kein Problem, alles völlig stabil!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie lange wird das so gehen? Ist es wirklich besser, wenn es dieses Weiterwurschteln gibt und unter Umständen im Herbst diese Regierung platzt, knapp vor der EU-Präsidentschaft? Oder ist es besser, wenn diese Regierung erst während der EU-Präsidentschaft platzt? Glauben Sie nicht, dass Sie Österreich sehenden Auges in eine Blamage hinein führen?

Das ist nicht verantwortungsvoll. Österreich braucht klare Verhältnisse und eine hand­lungsfähige Regierung, und beides ist jetzt nicht gegeben! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist ohnehin schon schlimm genug, dass aus der Krise der FPÖ eine Krise der Re­gierung geworden ist. Aber was wir doch alle gemeinsam verhindern sollten, ist, dass aus dieser Krise der Regierung auch eine Krise Österreichs und Europas wird. Das ist unsere Verantwortung als frei gewählte Abgeordnete in diesem Haus, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

 


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