Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 109. Sitzung / Seite 53

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Bei vielen Gesprächen mit Kritikern dieser Verfassung ist mir etwas eigenartig vor­gekommen, nämlich, wie viel an Bedeutung in solch eine Verfassung hineininterpretiert wird. Sicher, sie ist wichtig, sie enthält Spielregeln, und namentlich die Europäische Verfassung enthält auch wichtige Zielbestimmungen, aber manchmal hat man den Eindruck, dass mit dem Beschluss über ein Verfassungswerk die Politik sozusagen an ihrem Ende angekommen wäre und dass alles, was da nicht drinnen steht, sozusagen dann kein Thema der täglichen und jährlichen Politik sein kann. Diese Vorstellung finde ich absurd!

Die österreichische Verfassung ist ungefähr 85 Jahre alt in ihrem Kern, und haben wir seither etwa keine Politik betrieben: im Ökologiebereich, im Militärbereich, in allen heiklen Fragen, im Sozialbereich et cetera? Das gilt natürlich für die nationale Ebene genauso wie für die europäische Ebene. Eine Europäische Verfassung kann genauso wenig wie eine nationale Verfassung die Antwort auf alles und jedes sein.

Ich finde, erstaunlich ist nicht, dass bei den Verhandlungen von 25 Mitgliedstaaten dieser Kompromiss herausgekommen ist, sondern erstaunlich ist, dass überhaupt etwas herausgekommen ist.

Darf ich eine Sekunde lang an das Schicksal des Österreich-Konvents erinnern. (Abg. Dr. Glawischnig: Nein!) Vergleichsweise einfach, möchte man meinen, innerhalb einer nationalen Einheit sozusagen – nicht? Wir sind aber zu keinem Konsens gekommen (Abg. Mag. Molterer: Noch nicht!) – „noch nicht!“, sagt Herr Molterer –, die 25 Mit­gliedsländer mit 21 Sprachen und völlig unterschiedlichen Verfassungstraditionen jedoch sehr wohl. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Optimismus ist ange­sagt!)

Darf ich – ich blicke auf meine Uhr – nur eines zur Informationspolitik der Bundes­regierung sagen: Ja, die war miserabel! Ja, die Grünen haben die Öffentlichkeit des Verfassungsausschusses verlangt, zum Beispiel beim Gespräch mit Verfassungs­juristen. Sie wurden von ÖVP und FPÖ niedergestimmt. Sehr bedauerlich!

Gestern habe ich immerhin per Postwurf diese interessante Broschüre bekommen. (Der Redner hält eine Broschüre mit dem Titel „Die Verfassung für Europa“ in die Höhe.) Sie ist gar nicht schlecht gemacht, finde ich, relativ neutral, obwohl Bundes­kanzler Schüssel und Frau Dr. Plassnik uns vorne anlächeln, und sehr informativ. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Fast hätte ich sie weggeworfen, weil es mit allerhand anderem Reklame-„Glump“ verwickelt war. Das ist immerhin etwas, aber dies am Tag vor der Abstimmung im Parlament! – klar fühlen sich da die Bürger gepflanzt.

Aber apropos Informationspolitik: Ich begrüße die Direktübertragung des ORF zu solchen und zu anderen Themen. Das erlaubt den Seherinnen und Sehern, sich direkt ein Bild von der Arbeit in diesem Haus zu machen. Leider haben sie oft ein schlechtes Bild von dieser Arbeit. Wir hören immer wieder Klagen, wie etwa: Die Leute sind nicht aufmerksam! Sie halten Besprechungen ab! Sie sind überhaupt nicht da!, und so weiter.

Jetzt bitte ich alle Seherinnen und Seher, auch zu berücksichtigen: Sie erleben immer einen Ausschnitt, vielleicht eine halbe Stunde, vielleicht zwei; ich weiß nicht, wie lange Sie sich das anschauen. Wir sitzen hier in der Regel 12 Stunden, 16 Stunden. Es ist physisch unmöglich, die ganze Zeit hier aufmerksam und anwesend zu sein. (De­monstrativer Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) – Soviel dazu. Alle 183 Abgeordneten bemühen sich redlich, glaube ich – aber einen Kaffee brauchst zwischendurch. (Heiterkeit und allgemeiner Beifall.)

Allerletzter Punkt: In letzter Zeit mehren sich leider die Anzeichen, dass einzelne füh­rende Manager des ORF, namentlich im Bereich der Nachrichten- und Infor­mations-


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