Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 109. Sitzung / Seite 55

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

All diejenigen, die meinen, man hätte noch mehr informieren müssen, haben offen­sichtlich übersehen, dass wir vor Beginn des Konvents öffentliche Veranstaltungen gemacht haben, und zwar vor allem mit der Jugend. Wir haben vor Beginn der Regie­rungskonferenz stundenlang öffentlich debattiert. Wir haben hier im Hohen Hause mehrere Diskussionen ganztägig abgehalten, vor und nach jedem Euro­päischen Rat, hatten öffentliche Sitzungen des Europa-Hauptausschusses und haben dann auch mehrfach diesen Vertrag diskutiert.

Und ich sage: Ich bin auch stolz auf diese Arbeit! Herr Abgeordneter Professor Van der Bellen! Ursula Plassnik und ich haben Sie sehr neutral angelächelt – wie auch die 1,2 Millionen Haushalte. Es soll keine Propagandabroschüre, sondern eine reine Information sein darüber, was in den rund 200 Seiten des echten Vertrages drinnen steht; die anhängenden Protokolle können wir dabei ruhig ignorieren.

Meiner Überzeugung nach ist es wichtig, was in diesem Vertrag für die Bürger Europas wirklich grundgelegt wird, nämlich: Jeder europäische Bürger hat einen Pass, nicht nur einen österreichischen, sondern zugleich einen europäischen Pass. Mit dieser neuen Verfassung bekommt jeder Bürger europäische Bürgerrechte. Er kann beispielsweise seine Rechte in jedem europäischen Land einmahnen. Er kann mitwählen. Er hat die Möglichkeit, konsularische Hilfe in Drittländern in Anspruch zu nehmen, was gerade bei einer Flutwelle in Südostasien ein sehr wichtiger Punkt sein kann. Er ist Teil der Grund­rechtscharta, er kann sie einklagen. Er kann die Union und ihre Organe bis hinauf zum Europäischen Gerichtshof verfolgen und kann mahnen, dass sein Recht auch wirklich umgesetzt wird.

Ich halte das wirklich für einen ganz wesentlichen Schritt, der uns tatsächlich in eine offenes, bürgernahes und demokratisches Europa hineinführt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben zum ersten Mal die Möglichkeit, europäische Bürgerinitiativen zu starten. Denken Sie an Themen, die bedeutsam sein können, wie etwa der Tierschutz, den wir auch als Zielkatalog in die Verfassung hineingebracht haben – ein Thema, das uns in Österreich sehr bewegt hat. Nun gibt es die Möglichkeit, mittels einer europäischen Bürgerinitiative die Organe der Union zu zwingen, sich mit solchen Themen auseinan­der zu setzen.

Denken Sie etwa an Verkehrspolitik, an Umweltfragen, an Nahrungsmittelsicherheit und viele andere Themen, die sich da geradezu aufdrängen!

Oder denken Sie daran, dass im Falle von Verfahrensmängeln, bei Diskriminierung oder bei Missbrauch der Organe der europäische Ombudsmann angerufen werden kann!

Wer sagt, dass diese Verfassung zu wenig Demokratie enthält, zu wenig Demo­kratie­elemente enthält, der sollte auch daran denken, dass wir da zum ersten Mal dem Europäischen Parlament mächtige Mitbestimmungsregeln einräumen – etwas, was selbstverständlich für uns in Österreich ist, aber bisher nicht in allen europäischen Ländern war. Fast 100 Prozent – ich glaube, 95 oder 96 Prozent – aller europäischen Gesetze kommen in Hinkunft nur dann zustande, wenn auch das Europäische Parla­ment an der Gesetzgebung mitwirkt.

Die Minister müssen, wenn sie in den Räten zusammentreffen und Gesetze be­schließen, in diesem Fall öffentlich tagen.

Es gibt die Möglichkeit, auch den Europäischen Rat der Kontrolle des Europäischen Gerichtshofs zu unterwerfen.

 


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite