Nationale Parlamente werden gestärkt. Sie bekommen die Möglichkeit, mitzubestimmen, Klagsrechte zu haben oder die Bremse zu ziehen, wenn etwa in Fragen der Subsidiarität die kleinen Einheiten in irgendeiner Weise bedroht werden.
Also ich denke, gerade diese Elemente sind aufzuzeigen für jene Kritiker der europäischen Wirklichkeit, die sagen: Das ist noch immer nicht perfekt genug! – Ja, glaube ich zwar auch, sage aber gleichzeitig: Damit sind Elemente in dieser Verfassung drinnen, die bisher jedenfalls nie gegolten haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Wir Österreicher haben natürlich auch, wie jedes andere Mitgliedsland, einige nationale Themen angesprochen, die die Öffentlichkeit durchaus wissen soll: die Verankerung des Minderheitenschutzes, die explizite Aussprechung des Grundsatzes der Gleichheit von Männern und Frauen, die Verankerung des Prinzips, dass alle Mitgliedstaaten gleich sind, dass vor allem auch bei den Personalbesetzungen, etwa beim europäischen Ratsvorsitz, beim Kommissionsvorsitz, beim Außenminister, keine Besonderheiten für große oder bestimmte Regionen als Grundlage genommen werden dürfen, sondern dass wirklich alle im Sinne der Ausgewogenheit berücksichtigt werden müssen.
Tierschutz, den ich schon erwähnt habe, Daseinsvorsorge, Preisstabilität, Grenzregionen: Alles aus unserer Sicht bedeutsame Themen, die in diesem Vertrag auch enthalten sind.
Es gibt manche Kritiker – und ich bin dankbar, dass Professor Van der Bellen darauf hingewiesen hat –, die sagen, der Vertrag sein neoliberal. Wenn dem so wäre, ja warum unterstützt dann die europäische Gewerkschaftsbewegung einstimmig und vollinhaltlich diesen Vertrag? Darin sind wirklich für die Sozialunion wichtigste Prinzipien festgeschrieben, wie etwa jenes der Vollbeschäftigung im Artikel I-3 anstelle des früheren Prinzips „hoher Beschäftigungsstandard“. Es ist jetzt nicht mehr nur ein hohes Maß an sozialer Sicherheit gefordert, sondern die volle Solidarität, der Kampf gegen Missbrauch, der Kampf gegen Diskriminierung, die soziale Gerechtigkeit als grundlegendes Prinzip.
Ein weiterer Punkt, der in diesen Tagen auch immer wieder besprochen wird, ist die Frage des Vorrangs des europäischen Rechts vor dem nationalen Recht. Diese Frage wird in Artikel I-6 der Europäischen Verfassung geregelt.
Hand aufs Herz: Wie sollte denn sonst eine europäische Gemeinschaft funktionieren, wie sollte denn sonst ein europäischer Wirtschaftsraum funktionieren, wenn beispielsweise nationale Regeln über den europäischen Gemeinschaftsregeln stehen würden? Das Prinzip ist auch wirklich nicht neu, darauf wurde bereits hingewiesen: Seit 40 Jahren gilt das in der Judikatur. Damals hat ein Italiener, Flaminio Costa, seine Stromrechnung eingeklagt, weil er damit gegen die Verstaatlichung des italienischen Stromkonzerns ENEL protestieren wollte. Die Luxemburger Richter haben ihm Recht gegeben – übrigens im Interesse des Konsumentenschutzes.
Ehrlich gesagt, als wir beigetreten
sind – 30 Jahre nach diesem Erkenntnis –, hat jeder Mensch
gewusst, dass wir uns einer Europäischen Union anschließen, bei der der Vorrang
des europäischen Rechts – aber nur in jenen Bereichen, in welchen es
Gemeinschaftskompetenzen gibt – gegenüber den nationalen oder Landes-
oder Gemeindekompetenzen gilt. Das ist auch gut so, und daran hat sich nichts
geändert. Das österreichische Volk hat dies bei der Volksabstimmung vor elf
Jahren auch zur Kenntnis genommen, und zwar mit einer beeindruckenden
Zweidrittelmehrheit. Ich halte es eigentlich auch für selbstverständlich, dass
man diese Dinge ausspricht und zu ihnen steht, meine Damen und Herren. (Beifall
bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)