Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 157

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eine parteipolitische und eine staatspolitische einteilen, wobei er und der Kanzler für sich natürlich die staatspolitische in Anspruch nehmen und alles andere als partei­politisch abtun. Als ob man Wahrheit durch einen grünen oder roten Schleier nicht sehen könnte. Das ist einfach falsch.

Wenn Sie davon reden, Herr Staatssekretär Morak – es wurde Ihnen ja aufgesetzt –, dass sich die ÖVP natürlich dazu bekennt, dass das Unrechtsjustiz war, erinnere ich Sie und den Kanzler schon daran, dass viele damalige Richter nach wenigen Jahren wieder tätig wurden, genau jene, die Unrecht gesprochen haben. Und das ist sicher keine vertrauensbildende Maßnahme.

Was ich mich frage, geschätzte Regierungsparteien: Warum muss man immer hundert Gründe suchen, etwas nicht zu tun, wenn es nur einen einfachen Grund gibt, etwas zu tun, nämlich Gerechtigkeit zu üben? Ist das so schwierig? Wenn ich dauernd höre, Sie setzen Hunderte von ehrenhaften, tollen Schritten – Sie haben auch einiges getan, zweifellos, das will ich nicht bestreiten –, warum ist es dann so schwierig, warum braucht man so viel Mut, noch diesen einen Schritt zu setzen, um den Leuten zu helfen?

Wichtig ist mir auch noch: Natürlich kann man sagen, 1945 hat man Gesetze geschrie­ben, die per se ein neues, wie es die Betroffenen wollen, nicht nötig machen. Aber glauben Sie mir, es gibt Dinge, die lassen sich nicht nur juridisch begreifen und nicht nur juridisch begründen, sondern es gibt Dinge, die muss man anders begründen. Ich kann ja einem Patienten Krankheit und Tod auch nicht in mathematischen und bio­chemischen Formeln nahe bringen. Es bedürfte vielleicht nur des einen Satzes: Es tut mir Leid. Ist es so schwierig, das zu sagen? Ich finde nicht. (Beifall bei den Grünen.)

Noch etwas: Gehen wir schon davon aus, wenn wir jetzt sozusagen plötzlich anfangen, uns hier anzumaßen, von mehreren Arten, mehreren Sorten von Menschen und Solda­ten zu sprechen, die einen mutige Helden, und die anderen Feiglinge und Verräter – so ist das nicht. Erstens haben sich nicht alle freiwillig zur Wehrmacht gemeldet, außer­dem haben sich auch nicht alle mit Hitlerdeutschland identifiziert. Wen sollten sie da verraten? Eine Heimat, die für mich keine Heimat ist, kann ich nicht verraten. Ich kann auch vor Fahnen fliehen, die nicht die meinen sind. Ich kann auch Feinde nicht töten wollen, weil es nicht meine Feinde sind. Das könnte man heutzutage vielleicht einmal klarstellen. Warum muss ich eine Heimat verteidigen, wenn es nicht mehr die meine ist? Das sind an und für sich keine schwierigen Dinge, die müsste man doch ver­stehen.

Nochmals: Vermeiden Sie dieses wirklich unsägliche Wort „Feigling“. Ich glaube, dass damals alle Angst gehabt haben. Das Wort „Held“ ist auch so ein zweischneidiges. Ich glaube, als Helden sollte man jene bezeichnen, die sich irgendwo für eine gute Sache aufgeopfert haben. Die anderen mögen tapfer, sehr tapfer gewesen sein, aber Helden? Seien Sie damit vorsichtig! Die einen hatten Angst vor dem so genannten Feind, die anderen vor der Feldgendarmerie und der Nazijustiz dann. Wenn ich irgendwo drau­ßen liege, weiß ich, da gibt es niemanden von dem so genannten Feind, der aufge­schrieben hat, ich muss jetzt dem Kurt Grünewald das Bajonett ins Herz stoßen oder ihn erschießen, die Justiz aber hat den Namen des Deserteurs gehabt, und da – da hat Schieder völlig Recht – muss man vielleicht sogar mutig sein, zu sagen: Nein, da kämpfe ich nicht mit! – Erkennen Sie das einfach an! Das wäre gut. (Abg. Scheibner: Da muss man aber selbst diese Entscheidung treffen!)

Man muss selber Entscheidungen treffen. Zu denen sind sie gestanden, und sie haben den Tod riskiert. (Abg. Scheibner: In der Historie ist das immer leichter!)

Was für mich unverständlich ist: Warum wagen Sie nicht, diesen Schritt zu tun? Wer ist in Geiselhaft von wem? Wem sind Sie etwas schuldig? Warum haben Sie nicht den


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