Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 113. Sitzung / Seite 85

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13.06.14

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die heutige Verfassungsänderung betreffend die Nominie­rung des jeweiligen Bundesratspräsidenten beziehungsweise die Möglichkeit, die Reihung in den Landtagen durch die jeweils stärkste Fraktion zu ändern, ist Anlassge­setzgebung. Daran gibt es für mich nichts zu rütteln, auch wenn schon vor zwei Jahren eine ähnliche Diskussion im Bundesrat stattgefunden hat. Damals ist, wenn ich mich richtig erinnere, der damalige oberösterreichische Spitzenkandidat und designierte Bundesratspräsident schwer erkrankt – kurze Zeit später ist er gestorben –, und es gab keine Möglichkeit, statt ihm einen erfahrenen Bundesrat, der jahrelang diesem Gre­mium angehört hat und der es sich verdient gehabt hätte, einmal sein Land Ober­österreich im Bundesrat zu vertreten, zum Präsidenten zu machen, denn nachgerückt ist ein junger, unerfahrener Bundesrat, der in Oberösterreich als Stellvertreter angelobt war und der dann in diese Funktion gekommen ist.

Es wäre schöner gewesen, man hätte den damaligen Fall und die sozialen Probleme zum Anlass genommen und die sinnvolle Regelung, die wir heute beschließen, schon damals beschlossen, denn dann hätten wir sehr viele Probleme nicht gehabt.

Es hätte mich gefreut, wenn Kollege Kampl bei dem geblieben wäre, was er ursprüng­lich gesagt hat, dass er nämlich aus der Schilderung eines persönlichen Schicksals, der Interpretation und den darauf folgenden Interviews die richtige Konsequenz gezo­gen und sein Mandat zurückgelegt hat. Ich denke, das wäre auch für die Beschluss­fassung, die wir heute vorzunehmen haben, positiver und günstiger gewesen.

Herr Professor Van der Bellen, ich würde Sie trotzdem ersuchen, sich das Protokoll der Bundesratssitzung noch einmal genau anzusehen, nämlich jenes von der 720. Sitzung des Bundesrates vom 14. April 2005. Wenn Sie sich dieses Protokoll ansehen, werden Sie sehen, es kann keinen Zweifel geben, dass Kollege Kampl ausschließlich – aus­schließlich! – von seinen persönlichen Erfahrungen, die er als Kind, in die Familie eines SS-Offiziers hineingeboren, gemacht hat, gesprochen hat. (Abg. Brosz: Und was hat er danach gesagt in Interviews?)

Ich sage es auch so: Ich war immer dagegen, dass es auch nur für irgend jemanden in dieser Republik Sippenhaftung gibt. Aber es kann auch nicht übersehen werden, dass in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg oft auch die Kinder von Angehörigen der NSDAP oder der SS oder anderer Gliederungen oder Untergliederungen dieses ver­brecherischen Systems mit in die Haftung für die Taten, nein, für die Untaten ihrer Eltern genommen wurden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Niederwieser.) Das in entspre­chender Form aufzuzeigen, das muss in einem demokratischen Gremium auch mög­lich sein. (Abg. Mandak: Ja, aber das ist schon ein bisschen ein Unterschied!)

In einem werden Sie mir Recht geben, Herr Professor Van der Bellen: Die Kinder können nichts dafür, in welche Familie sie geboren werden, und die Kinder können als Zwölfjährige nichts dafür (Abg. Öllinger: Darum geht es nicht!), dass ihre Eltern zu Recht für ihre Strafen zur Verantwortung gezogen werden.

Wir haben in unserem demokratischen Rechtsstaat alle Anstrengungen zu unterneh­men, damit die Kinder von Verbrechern unabhängig von der Situation ihrer Eltern leben können, und sie voll rehabilitiert in die Gesellschaft einzugliedern, ihnen eine Zukunft zu ermöglichen, unbeschadet der Untaten ihrer Eltern.

Auch das sollte heute, 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, selbstver­ständlich sein und auch entsprechend aufgefasst werden. Daher ist es auch nicht ver­wunderlich, dass jene, die die Rede damals gehört haben – und das war die Mehrheit des Bundesrates –, da ich davon ausgehen, dass das Protokoll des Bundesrates


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