Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 113. Sitzung / Seite 92

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Herr Abgeordneter Ofner gemeint hat: Na nehmen wir die Opfer nach 1945 auch noch zu den Opfern des Nationalsozialismus dazu!

Das kann nicht sein! Darüber waren sich alle Parteien einig, mit einer Ausnahme: der FPÖ, die, wenn Sie so wollen – und nur das will ich Ihnen mitgeben –, den Opferbegriff im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus dadurch relativiert hat.

Jetzt weiß ich, es gibt nichts, was uns trennt – hoffe ich – zwischen den Parteien in der geschichtlichen Auffassung, dass zwischen den Opfern des Nationalsozialismus und allen anderen, denen irgendwann einmal, aber natürlich auch in der Zeit nach 1945, irgendein Unrecht widerfahren ist, nicht eine Beziehung hergestellt, dass das nicht in eine Relation gesetzt werden kann. Das haben im Prinzip auch Sie gesagt.

Ich sage das deshalb, weil – und darin sehe ich das Problem, und darüber bitte ich Sie ganz einfach nachzudenken – wir nach wie vor noch keine volle Rehabilitation für Opfer des Nationalsozialismus, Homosexuelle – da ist einiges auf den Weg gebracht, aber ich sage noch etwas dazu –, Asoziale, Deserteure haben. Keine volle Rehabilita­tion!

Nur eine Anmerkung dazu, Frau Abgeordnete Fekter: Viele der Deserteure sind in ganz normalen Strafanstalten genauso wie viele politische Häftlinge gehalten worden, und da gibt es nichts, was sie in die Lage versetzen würde, für die Zeiten ihrer Haft während des Nationalsozialismus, nach der Desertion, eine Anrechnung für Pensi­onsversicherungszeiten zu erhalten. Die Täter von damals hingegen, die haben ihre Anrechnung bei der Pension!

Aber zurück zu dem Punkt, den ich für wichtig halte: Zwischen Opfern oder Personen, denen nach 1945 Unrecht getan wurde – und die gibt es auch –, und Personen, die Opfer des Nationalsozialismus waren, kann es keine Verbindung, keine Relation geben! Und mit einigen Ihrer Gesetze seit 1995 – nicht nur 1995 beim Nationalfonds­gesetz, ich erinnere Sie an die Wortmeldung des Abgeordneten Ofner, sondern auch beim Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, beim Gesetz betreffend Entschädigung für die „Trümmerfrauen“, das beabsichtigt ist –, versuchen Sie meinem Eindruck nach hier so zu tun, als ob Opfer oder Personen, die nach 1945 Schaden genommen haben, doch in eine Relation zu bringen sind mit Personen, die vor 1945 Opfer des National­sozialismus geworden sind. – Und das finde ich falsch.

Genau diese Vermengung führt meiner Ansicht nach dazu, dass sich eine Person wie Herr Kampl dann berechtigt fühlen kann, eine Person, seine persönliche Biographie herauszunehmen und so zu tun, als ob er und seine Familie auch Opfer seien. – Nein, das ist sie nicht. Seine Familie – das wissen Sie, das wissen wir alle – hat zu den Tätern gehört. Dass er darunter als Kind gelitten hat, will ich nicht bestreiten. Aber ein Opfer ist er nicht.

Daher bitte ich Sie einfach, in der Gesetzgebung, auch bei dem, was noch bevorsteht, klar dafür zu sorgen, dass hier nicht nachträglich wieder Täter zu Opfern gemacht werden. Wir haben Ihnen das schon beim Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz gesagt: Wenn Sie ausschließen könnten und ausgeschlossen hätten, dass ehemalige Nazis – und zwar belastete, stark belastete Nazis – eine Entschädigung erhalten, hätten wir auch mitstimmen können. Das konnten Sie nicht ausschließen aus Gründen, die Sie uns glaubhaft gemacht haben. Ich bitte Sie nur, das bei der Gesetzgebung, die demnächst noch ins Haus steht, auch zu berücksichtigen.

Aber vor allem ersuche ich Sie um eines: dass endlich, 60 Jahre nach Beendigung des Krieges, alle Opfer des Nationalsozialismus voll in ihr Recht gesetzt werden. Das ist eine Voraussetzung, die Sie, die wir gemeinsam schaffen müssen – und dann tun wir


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