Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 124. Sitzung / Seite 73

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Lohn-, Verbraucher- und Umweltstandards einhalten. Auch die Kontrolle der Dienst­leistungsunternehmen läge nicht mehr in der Verantwortung der Behörden des „Gastlandes“, sondern soll durch das Herkunftsland des Anbieters erfolgen.

Ein funktionierender Dienstleistungsmarkt bedarf der Transparenz und Rechts­sicher­heit für Anbieter und Nachfrager. Bei Einführung des Herkunftslandprinzips droht aber das Gegenteil: Nämlich Rechtsunsicherheit und Rechtszerklüftung. Denn nach dem Herkunftslandprinzip könnten an einem Ort Dienstleistungen auf der Rechtsgrundlage von 25 Mitgliedstaaten erbracht werden. Als Folge würden die Geschäftsbedingungen gerade für kleine Unternehmen undurchschaubar. Auch für die KonsumentInnen würde die Dienstleistungsrichtlinie Rechtsunsicherheit bringen.

Noch prekärer wären die Auswirkungen des Herkunftslandprinzips auf Sozial-, Lohn-, Verbraucher- und Umweltstandards im Dienstleistungssektor: Unternehmen aus Ländern mit weniger strengen Umwelt- und Verbrauchergesetzen oder schwacher sozialer Sicherung hätten Wettbewerbsvorteile. Und daraus resultiert die Gefahr eines Verdrängungswettbewerbs, also eines „race to the bottom“ bei Sozial-, Lohn-, Ver­braucher- und Umweltstandards. Von diesem wären insbesondere Kleinst-, Klein- und Mittelbetriebe betroffen. Außerdem könnten nach Steueroasen dann auch „Niederlas­sungsoasen“ entstehen, in die Servicebetriebe formell ihren Hauptsitz verlagern, um ihre Leistungen zu niedrigen Standards anbieten zu können.

Auch die Tatsache, dass die Kontrolle der Dienstleistungserbringer nicht bei dem Staat liegt, in dem ein Unternehmen seine Dienste erbringt, sondern beim jeweiligen Her­kunfts­land, öffnet Missbrauch potentiell Tür und Tor. Denn es ist fraglich, ob eine ausreichende Kontrolle von Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig sind, durch die Behörden ihres Heimatlandes in der Praxis überhaupt erfolgen kann.

Außerdem besteht die Gefahr, dass durch die Dienstleistungsrichtlinie die Rolle der Dienstleistungen im öffentlichen Interesse, der so genannten „Daseinsvorsorge“, in Europa weiter ausgehöhlt wird: Der Kommissionsentwurf unterscheidet nicht klar zwi­schen wirtschaftlichen Dienstleistungen und Leistungen der Daseinsvorsorge. Die Dienste der Daseinsvorsorge müssen aus der Dienstleistungsrichtlinie vollständig heraus­genommen werden. Das ist gerade deswegen von entscheidender Bedeutung, weil es eine Rahmenrichtlinie zur Daseinsvorsorge bisher noch nicht gibt.

Auch in anderen sensiblen Bereichen sind die Auswirkungen der Dienstleistungs­richtlinie problematisch. Bei Pflegediensten etwa muss bezweifelt werden, ob hohe Standards erhalten bleiben, wenn nur die Regeln des Herkunftslandes gelten. Daher sollten solche sensiblen Felder wie Gesundheits- und andere soziale Dienste, audio­visuelle oder kulturelle Dienstleistungen aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie von vornherein ausgeklammert werden.

Zudem ist die Dienstleistungsrichtlinie mit der derzeit geltenden Entsenderichtlinie unvereinbar. Die Dienstleistungsrichtlinie sieht theoretisch vor, dass das Herkunfts­landsprinzip nicht für die Entsenderichtlinie gilt. Andererseits legt sie auch fest, dass die Mitgliedstaaten Dienstleister nicht zwingen dürfen, von den Behörden des Gast­landes eine Genehmigung zu verlangen oder auf dem Territorium des Gastlandes Beschäftigungsunterlagen bereit zu halten. Damit wird den Mitgliedstaaten die Durch­führung wirkungsvoller Kontrollen der Arbeitsbedingungen und der Einhaltung der Tarifverträge unmöglich gemacht, wodurch der soziale Schutz der Arbeitskräfte in Frage gestellt wird.

Die Grünen halten den vorliegenden Entwurf daher für äußerst problematisch und fordern die Kommission auf, ihn zurückzuziehen. Stattdessen schlagen die Grünen einen alternativen Ansatz für ein begrenztes Spektrum kommerzieller Dienstleistungen vor, der auf dem Ziel einer europaweiten Harmonisierung auf hohem Niveau basiert.

 


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