Lohn-,
Verbraucher- und Umweltstandards einhalten. Auch die Kontrolle der Dienstleistungsunternehmen
läge nicht mehr in der Verantwortung der Behörden des „Gastlandes“, sondern
soll durch das Herkunftsland des Anbieters erfolgen.
Ein
funktionierender Dienstleistungsmarkt bedarf der Transparenz und Rechtssicherheit
für Anbieter und Nachfrager. Bei Einführung des Herkunftslandprinzips droht
aber das Gegenteil: Nämlich Rechtsunsicherheit und Rechtszerklüftung. Denn nach
dem Herkunftslandprinzip könnten an einem Ort Dienstleistungen auf der
Rechtsgrundlage von 25 Mitgliedstaaten erbracht werden. Als Folge würden die
Geschäftsbedingungen gerade für kleine Unternehmen undurchschaubar. Auch für
die KonsumentInnen würde die Dienstleistungsrichtlinie Rechtsunsicherheit
bringen.
Noch
prekärer wären die Auswirkungen des Herkunftslandprinzips auf Sozial-, Lohn-,
Verbraucher- und Umweltstandards im Dienstleistungssektor: Unternehmen aus Ländern
mit weniger strengen Umwelt- und Verbrauchergesetzen oder schwacher sozialer
Sicherung hätten Wettbewerbsvorteile. Und daraus resultiert die Gefahr eines Verdrängungswettbewerbs,
also eines „race to the bottom“ bei Sozial-, Lohn-, Verbraucher- und
Umweltstandards. Von diesem wären insbesondere Kleinst-, Klein- und
Mittelbetriebe betroffen. Außerdem könnten nach Steueroasen dann auch
„Niederlassungsoasen“ entstehen, in die Servicebetriebe formell ihren
Hauptsitz verlagern, um ihre Leistungen zu niedrigen Standards anbieten zu
können.
Auch
die Tatsache, dass die Kontrolle der Dienstleistungserbringer nicht bei dem
Staat liegt, in dem ein Unternehmen seine Dienste erbringt, sondern beim
jeweiligen Herkunftsland, öffnet Missbrauch potentiell Tür und Tor. Denn es
ist fraglich, ob eine ausreichende Kontrolle von Unternehmen, die grenzüberschreitend
tätig sind, durch die Behörden ihres Heimatlandes in der Praxis überhaupt
erfolgen kann.
Außerdem
besteht die Gefahr, dass durch die Dienstleistungsrichtlinie die Rolle der
Dienstleistungen im öffentlichen Interesse, der so genannten „Daseinsvorsorge“,
in Europa weiter ausgehöhlt wird: Der Kommissionsentwurf unterscheidet nicht
klar zwischen wirtschaftlichen Dienstleistungen und Leistungen der
Daseinsvorsorge. Die Dienste der Daseinsvorsorge müssen aus der
Dienstleistungsrichtlinie vollständig herausgenommen werden. Das ist gerade
deswegen von entscheidender Bedeutung, weil es eine Rahmenrichtlinie zur
Daseinsvorsorge bisher noch nicht gibt.
Auch
in anderen sensiblen Bereichen sind die Auswirkungen der Dienstleistungsrichtlinie
problematisch. Bei Pflegediensten etwa muss bezweifelt werden, ob hohe
Standards erhalten bleiben, wenn nur die Regeln des Herkunftslandes gelten.
Daher sollten solche sensiblen Felder wie Gesundheits- und andere soziale
Dienste, audiovisuelle oder kulturelle Dienstleistungen aus dem
Anwendungsbereich der Richtlinie von vornherein ausgeklammert werden.
Zudem
ist die Dienstleistungsrichtlinie mit der derzeit geltenden Entsenderichtlinie
unvereinbar. Die Dienstleistungsrichtlinie sieht theoretisch vor, dass das Herkunftslandsprinzip
nicht für die Entsenderichtlinie gilt. Andererseits legt sie auch fest, dass
die Mitgliedstaaten Dienstleister nicht zwingen dürfen, von den Behörden des
Gastlandes eine Genehmigung zu verlangen oder auf dem Territorium des
Gastlandes Beschäftigungsunterlagen bereit zu halten. Damit wird den
Mitgliedstaaten die Durchführung wirkungsvoller Kontrollen der
Arbeitsbedingungen und der Einhaltung der Tarifverträge unmöglich gemacht,
wodurch der soziale Schutz der Arbeitskräfte in Frage gestellt wird.
Die
Grünen halten den vorliegenden Entwurf daher für äußerst problematisch und fordern
die Kommission auf, ihn zurückzuziehen. Stattdessen schlagen die Grünen einen
alternativen Ansatz für ein begrenztes Spektrum kommerzieller Dienstleistungen
vor, der auf dem Ziel einer europaweiten Harmonisierung auf hohem Niveau
basiert.