Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 129. Sitzung / Seite 152

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Herren. Merken Sie sich das, wenn Sie Ortstafeln sehen! (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Das macht der Herr Bundeskanzler!)

Schneller als 50 km/h zu fahren ist nicht erlaubt (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sagen Sie das dem Rudi Vouk! Der hat das absichtlich gemacht! Der ist absichtlich zu schnell gefahren! Das ist ungeheuerlich!), außer auf diesem kuriosen Stück Autobahn in Kärnten, bezüglich dessen der Vizekanzler irgendwie meint, seine Bubenträume ausleben zu können oder vielleicht pubertäre Phantasien oder Ähnliches. Prinzipiell gelten im Ortsgebiet 50 km/h.

Und das alles, was so lustig klingt, ist nicht nur ein Rechtsbruch, angeordnet vom Landeshauptmann von Kärnten, sondern ist permanenter Rechtsbruch seit 1955, seitdem der Staatsvertrag von Wien abgeschlossen wurde. Das ist jener Staatsvertrag, meine Damen und Herren, dessen fünfzigjähriges Jubiläum wir dieses Jahr – und in sehr vielen Belangen, Punkten und Artikeln des Staatsvertrages auch zu Recht – gefeiert haben, denn dieser Staatsvertrag hat Österreich volle Souveränität und Unabhängigkeit gebracht.

Aber dieser Staatsvertrag und insbesondere der Artikel 7 beschert Österreich auch eine inzwischen fünfzigjährige Geschichte des permanenten täglichen Rechtsbruches (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ), nämlich dort, wo jene Bestimmungen stehen, die dem Schutz der autochthonen Minderheiten – in dem Fall der Kärntner Slowenen, der Slowenen in der Steiermark und der Kroaten im Burgenland –, dem Schutz der Interessen der Minderheiten dienen, damit das Über­leben dieser Minderheiten, ihrer Sprache, ihrer Kultur und ihrer Eigenheit auch gewährleistet ist. Für Minderheiten gibt es da – das klingt jetzt anachronistisch, aber es gilt immer noch – Schutzmächte.

Heutzutage klingt es wirklich seltsam, wenn man sagt, in Österreich braucht jemand ausländische Schutzmächte. Ja, meine Damen und Herren, wir Minderheiten­ange­hörigen brauchen ausländische Schutzmächte, denn auf den Staat Österreich können sich Minderheitenangehörige bezüglich ihrer Rechte nicht verlassen. Das ist die traurige Wahrheit!

Sosehr ich es als Volksvertreterin bedauere, dies sagen zu müssen, so sehr möchte ich als Minderheitenangehörige, dass Sie das jeden Tag hören, dass Sie auch physisch erleben, dass Recht in Österreich täglich, vom Bundeskanzler abwärts bis hin zum Kärntner Landeshauptmann, gebrochen wird.

Diese Aktion mit der verfügten Demontage einer zweisprachigen Ortstafel in Kärnten schlägt wahrlich dem Fass den Boden aus. Deshalb haben die Grünen zu einem parlamentarischen Mittel gegriffen, das wahrlich nicht alltäglich ist. Ich kann mich wirklich nicht daran erinnern, dass in den letzten Jahren hier Anträge eingebracht worden wären, in welchen die Bundesregierung aufgefordert wurde, zu prüfen, ob eine so genannte Ministeranklage – das ist jetzt das Synonym für die Anklage gegen einen Landeshauptmann, der ja da Bundesrecht zu vollziehen hat – möglich ist.

Das Parlament kann nicht mehr, als die Bundesregierung auffordern beziehungsweise bitten, das zu tun, denn nur die Bundesregierung hat von der Verfassung her dieses Recht zugestanden bekommen.

Meine Damen und Herren, Sie werden verstehen, dass eine Prüfung dieser Frage am 6. Dezember 2005 in einem anderen Licht zu sehen ist als in üblichen Jahren, denn der Dezember 2005 ist nicht nur dadurch gekennzeichnet, dass er quasi das Gedan­ken- und Jubiläums- und Gedenkjahr praktisch ausläutet, sondern auch dadurch, dass in ein paar Tagen, nämlich am 13. Dezember, der vierte Gedenktag (Zwischenruf bei der ÖVP) – der Begriff „Geburtstag“ ist in diesem Fall gut, besser ist „Gedenktag“, denn


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite