Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 129. Sitzung / Seite 183

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hätte, die ein Gesetz, das die Opposition hier vorgelegt hat und das im Wortlaut dem entspricht, was vor zehn Jahren einstimmig im Nationalrat beschlossen wurde, quasi in Bausch und Bogen ablehnt und dann von Schätzungen spricht.

Frau Bundesministerin, wenn Sie sagen, es gibt die Schätzung nach dem Straf­register, dass es rund 10 000 Fälle betroffen hätte, dann heißt „Schätzung“ was? Dass es 9 999 waren? Oder dass es geschätzt vielleicht auch nur 2 000 gewesen sein können? – Wir haben das im Ausschuss schon diskutiert, und ich bin ziemlich erstaunt und verwundert darüber, dass Sie jetzt die Chuzpe haben, in der Diskussion im Plenum des Nationalrates wieder mit Schätzziffern zu kommen, Frau Bundesministerin.

Es ist ein bisschen billig – jetzt im wahrsten Sinn des Wortes –, Dinge, die der Hohe Nationalrat vor zehn Jahren einstimmig beschlossen hat (Abg. Amon: Und was schätzen Sie?), sozusagen von der Administrativ- oder Exekutivseite hinter uns quasi als Fehlentscheidungen des Nationalrates zu beurteilen und dies dann nicht belegen zu können. Um welche Rückfallstäter geht es? Kennen Sie sie? Wie viele sind es? Was haben sie nachher angestellt? Was ist der österreichischen Bevölkerung passiert? – Wenn man so etwas in den Raum stellt, dann erwarte ich mir von der Ministerin, dass sie das auch belegt. (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt möchte ich den Kolleginnen und Kollegen hier im Nationalrat sagen, warum dieser Entwurf vorgelegt wurde. Dieser Entwurf sagt – und hier steht es explizit drin –, er orientiert sich an der Amnestie 1995. Dieser Entwurf ist ja so etwas wie eine Vorleistung für das Fehlen eines Entwurfes von Seiten des Ministeriums respektive der Regierungsparteien gewesen.

Es ist nicht die Aufgabe der Opposition, hier Entwürfe für Gesetze einzubringen. Wir haben ein Initiativrecht, aber ich wäre doch nie im Leben auf die Idee gekommen, dass nach einem Gesetz zu „50 Jahre Zweite Republik“ und „40 Jahre Staatsvertrag“ – wobei der Staatsvertrag damals gar nicht erwähnt wurde, sondern da ging es vor allem um den österreichischen Beitritt zur Europäischen Union – und dieser einstimmig beschlossenen Amnestie die Opposition in Vorlage treten muss, damit überhaupt eine Diskussion entsteht. Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass Sie einen Entwurf bringen werden, und zwar einen Entwurf, der auch der heutigen Situation entspricht.

Hier in dem oppositionellen Entwurf, der von den Grünen ausgearbeitet wurde, steht das auch drinnen. Ich lese es Ihnen vor: „Wir wollen an dieser Stelle ausdrücklich auf die Bereitschaft der EinbringerInnen zu und der Notwendigkeit von weiteren Parteien­gesprächen hinweisen. Insbesondere besteht hinsichtlich einiger Fragen noch besonderer Diskussionsbedarf: ...“

Allein Sie haben uns ja nie Gelegenheit gegeben, darüber zu diskutieren, sondern mit Beginn des Gedenkjahres wurde von der FPÖ – damals gab es noch kein BZÖ; so ändern sich die Zeiten – verkündet: keine Amnestie im Gedenk- und Bedenkjahr. Was kümmern uns 60 Jahre Republik, was kümmert uns eine Tradition, die das Hohe Haus aufgebaut hat?! Jetzt ist Rechtspopulismus angesagt, und jetzt zeigen wir, wer im wahrsten Sinne des Wortes der Herr im Haus ist. (Abg. Scheibner: Rechtsstaat, Frau Kollegin, Rechtsstaat!)

Meine Damen und Herren! Mitnichten gehen Schwerverbrecher aus dem Gefängnis, wenn es Amnestien gibt. Da müsste Österreich ja 1995 im Chaos versunken sein, wären da alle Schwerverbrecher plötzlich aus Stein, aus Garsten und aus der Karlau rausspaziert. Ich habe nie solches vernommen, Frau Bundesministerin, Sie offen­sichtlich auch nicht, sonst hätten Sie es heute belegt. Die Freiheitliche Partei wäre die Erste, die kommen würde mit Zeitungsmeldungen, in denen steht: Hohes Haus amnestiert, und jetzt stellt dieser Schwerverbrecher wieder etwas an.

 


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