Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 131. Sitzung / Seite 16

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ehrlich gesagt hätte: Weder die Türkei noch die Europäische Union werden in abseh­barer Zeit in der Lage sein, diesen Erweiterungsschritt zu machen – wir gehen dafür in eine enge bilaterale Kooperation, in eine maßgeschneiderte Partnerschaft, die für beide Seiten richtig und wichtig wäre.

Ich erwarte mir von der Europäischen Union, gerade wenn es um die Menschenrechte geht, ein klareres Wort, auch von der Kommission, meine Damen und Herren. Es kann nicht sein, dass man mit einem Land Beitrittsverhandlungen führt, in dem man dafür, dass man darüber diskutiert, so wie das auch in Österreich der Fall gewesen ist, die Nationalhymne zu ändern, mit fünf oder zehn Jahren Gefängnis bedroht wird, weil gegen das „Türkentum verstoßen wird“; in dem Journalisten ins Gefängnis geworfen werden, weil sie „falsch berichtet“ haben; in dem es nach wie vor Morde an Frauen nur deshalb gibt, weil sie nicht jenen Mann heiraten, den der Familienrat „verordnet“ hat.

Das sind nicht die Menschenrechtsstandards, die wir uns für ein gemeinsames Europa vorstellen, und das muss auch die Europäische Union klar zum Ausdruck bringen! (Bei­fall bei den Freiheitlichen.)

Da muss es aber selbstverständlich auch in den eigenen Reihen besondere Wachsam­keit geben. Und wenn hier über die CIA-Flüge diskutiert wird, dann brauchen wir nicht darüber zu diskutieren, was das Bundesheer falsch gemacht hat. Das Bundesheer hat es richtig gemacht, denn nur deshalb, weil so offensiv und aufmerksam im Rahmen der Luftraumüberwachung kontrolliert wird, sind diese Vorgänge über österreichischem Luftraum überhaupt erst bekannt geworden.

Aber darum geht es nicht, sondern mir geht es darum, dass auch in dieser Angelegen­heit die Europäische Union nicht schweigen darf, wenn es Verdachtsmomente gibt – es gibt ja noch keine Bestätigung, sondern Verdachtsmomente –, dass mit diesen Gefan­genentransporten Menschenrechte verletzt wurden. Wenn es wirklich stimmt, dass in Mitgliedsländern der Europäischen Union gegen die Menschenrechte verstoßen und gefoltert wurde, mit unlauteren Mitteln verhört wurde, dann muss die Europäische Uni­on handeln, auch wenn es Mitgliedsländer dieser Union betrifft. (Allgemeiner Beifall.)

Ich glaube, dass in diesem Sinne auch die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ein wichtiges Programm der Kommission sein muss. Es klingt alles sehr gut, was da vorgeschlagen wurde, aber es gibt nach wie vor zu wenig Initiativen, zu wenig Initiati­ven, die in die Richtung gehen, dass man ein Pendant – kein Gegner, aber ein Pen­dant –, eine Ergänzung zu den Vereinigten Staaten sein möchte, dass man sich enga­giert in den wichtigen Krisenherden, etwa im Nahen Osten, oder stärker auch in ver­schiedenen Krisenherden in Asien oder Afrika.

Das heißt ja nicht, dass wir überall militärisch intervenieren, aber dass wir auch mit einer offensiven Entwicklungszusammenarbeit, dass wir mit politischen Mitteln und, wenn es notwendig ist, natürlich auch mit militärischen Mitteln, klar machen, dass die Grundsätze, die wir uns gegeben haben – Menschenrechte, Freiheit, Selbstbestim­mungsrecht der Völker –, Werte sind, die auf der ganzen Welt gelten, und dass nicht eine Supermacht auf der Welt alleine darüber entscheiden kann, wo wann wie und warum interveniert wird.

Auch das wäre eine wichtige, eine globale Aufgabe der Europäischen Union, und Ös­terreich könnte da durchaus auch Initiativen setzen. Da muss man aber auch ein bisschen über den eigenen Tellerrand und über nationale Diskussionen hinwegsehen. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Ich komme schon zum Schluss, meine Damen und Herren. Das Kommissionspro­gramm klingt ambitioniert, aber was wirklich dahinter steht, werden wir erst sehen. Österreich hat es in der Hand, während seiner Präsidentschaft die entsprechenden Ini-


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