Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 138. Sitzung / Seite 30

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

15.37.50

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bun­desregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Rede des Herrn Bundeskanzlers fragen sich viele Menschen vor den Fernsehschirmen und auch viele hier im Hohen Haus (Zwischenrufe bei der ÖVP): Wieso gibt es in Österreich 380 000 Arbeitssuchende, wenn ohnehin alles so perfekt ist, wie es sich der Herr Bun­deskanzler gerne vorstellt? – Die Wahrheit ist: Es gibt 380 000 Arbeitssuchende in Österreich, weil das, was der Bundeskanzler gesagt hat, nicht der Wahrheit und nicht der Lebensrealität der Menschen in unserem Land entspricht! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt ja viele, die zwischen brutto und netto nicht unterscheiden können. (Rufe bei der ÖVP: Ja, Gusenbauer!) Dass aber der Bundeskanzler auch dazugehört, ist beschämend. Wenn Sie davon sprechen, dass sich die Kaufkraft der Löhne in den letzten fünf Jahren um 25 Prozent erhöht habe, dies jedoch niemand in Österreich spürt, dann hat das einen einfachen Grund: Das sind die Brutto-Erhöhungen! Wissen Sie, was netto herausgekommen ist? – Nichts! Die Belastungspolitik Ihrer Bundesregierung hat alle Brutto-Lohnerhöhungen wieder aufgefressen! Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Davon zu reden, dass alles so wunderbar gelaufen wäre und überhaupt keine Veran­lassung bestünde, hier im Hohen Haus zu diskutieren angesichts einer Situation, in der wir die höchste Arbeitslosigkeit und die höchste Jugendarbeitslosigkeit in der gesamten Geschichte der Zweiten Republik haben: Meine sehr verehrten Damen und Herren, wissen Sie, was das ist? – Eine Verhöhnung all jener Menschen, die vom Schicksal der Arbeitslosigkeit betroffen sind! Das ist eines Bundeskanzlers nicht würdig, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Davon zu reden, dass in Österreich die Sozialabgaben angestiegen wären und damit Österreich in den letzten Jahren sozialer geworden wäre (Rufe bei der ÖVP: Ja!), meine Damen und Herren: Wissen Sie, wieso die Sozialausgaben angestiegen sind? – Weil wir heute um über 70 000 Menschen mehr haben, die arbeitslos sind und für die wir die Arbeitslosenunterstützung zahlen! Nicht sozialer ist Österreich geworden, „arbeitsloser“ ist Österreich geworden! Und wir alle haben die Lasten dafür zu tragen. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie, Herr Bundeskanzler, stellen sich hier her und sagen: Wunderbar, alles wird gelöst, jeden Tag neue Arbeitsplätze geschaffen! (Abg. Dr. Fekter: Da hat Wien die höchste Arbeitslosigkeit!) – Herr Bundeskanzler, wenn Sie sich schon mit Statistiken beschäf­tigen, dann wird Ihnen doch aufgefallen sein, dass die Lohnquote heute ungefähr so hoch ist wie vor sechs Jahren – und das ist schon positiv bewertet –, obwohl mehr Menschen in Beschäftigung sind.

Was hat das zum Hintergrund? – Dass viele Menschen heute für ihre Arbeit weniger verdienen, weil es eben weniger Menschen gibt, die Vollzeitbeschäftigung haben. Wie hat Präsident Verzetnitsch richtig gesagt? – Ein Großteil des Zuwachses bei den Jobs sind atypische Beschäftigungsverhältnisse und Teilzeitbeschäftigung.

Meine Damen und Herren, das Schicksal dieser Beschäftigungsverhältnisse ist in erster Linie weiblich. Wir wollen, dass die Menschen, die in unserem Land bereit sind, schwer und hart zu arbeiten, auch solche Jobs bekommen, von deren Einkommen sie leben können. Denn es geht nicht nur um Arbeit, es geht auch um Einkommen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Bundeskanzler, Sie sprechen über die Steuerreform und sagen, „zwei satte Steuer­reformen“ würden da zwischen diesen – obskuren – Zahlenvergleichen liegen,


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite