Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 139. Sitzung / Seite 219

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Dr. Leutner. – Bitte.

 


21.00.49

Abgeordneter Dr. Richard Leutner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Wir haben durch den Einspruch des Bundesrates heute noch einmal die Gelegenheit, eine Entwicklung gemeinsam zu diskutieren, die in den letzten Wochen – wie ich meine, zu Recht – auch öffentlich angeprangert worden ist.

Unfaire Vertragsklauseln setzen die ArbeitnehmerInnen auf dem Arbeitsmarkt immer mehr unter Druck. Die Situation ist einfach so, meine Damen und Herren: Wenn man sich teilweise mit 70 Mitbewerbern um einen Arbeitsplatz bemühen muss, dann unter­schreibt man alles, was einem vom Arbeitgeber vorgelegt wird, wenn man diesen Arbeitsplatz erhalten will – auch unfaire Klauseln in Vertragsformularen.

Da werden jetzt auch schon richtige Gift-Cocktails gegen die ArbeitnehmerInnen gebraut, meine Damen und Herren. Willkürliche Änderungen des Arbeitsortes, wodurch auf einmal Hunderte von Kilometern zurückgelegt werden müssen, werden mit undurchsichtigen Pauschalentlohnungen und einseitigen Arbeitszeiteinteilungen gemischt. Dazu kommen die berühmten Konkurrenzklauseln, die Ausbildungskosten­rückersätze, und als Draufgabe – das habe ich selbst gesehen – gibt es Vertrags­strafen, die den Arbeitnehmern bis zu Tausenden von Euro aufbrummen, wenn sie sich nicht nach den Wünschen der Arbeitgeber richten. – Das ist, meine Damen und Herren, ein Massenphänomen aus allerjüngster Zeit, das hat es früher in diesem Maße nicht gegeben.

Wenn wir uns heute fragen, meine Damen und Herren: Haben wir mit dem vorlie­genden Gesetzentwurf, mit den Vorlagen, die wir vor uns liegen haben, eine adäquate Antwort auf diese Entwicklung gegeben?, so lautet die Antwort eindeutig nein!

Für mich, Herr Minister, ist es unverständlich, dass von den insgesamt schon sieben nachteiligen Vertragsklauseln, die wir bereits zählen, in dem vorliegenden Gesetz­ent­wurf gerade einmal ganze zwei behandelt werden, nämlich die Konkurrenzklauseln und der Ausbildungskostenrückersatz. Alle anderen Klauseln – das müssen wir heute hier feststellen – können nach wie vor systematisch gegen die ArbeitnehmerInnen draußen in der Arbeitswelt angewandt werden, und das ist nicht in Ordnung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Verbesserung bei den Konkurrenzklauseln – die einzige, die Sie dann anführen werden; davon gehe ich aus – erreicht, bei Licht besehen, wenn man die Werte anschaut, nicht einmal die Schutzstandards aus dem Jahre 1920. Das ist die Ver­besserung, die wir heute hier diskutieren.

Ganz unverständlich ist mir allerdings folgender Punkt, und da sind auch Sie, Herr Minister, angesprochen: dass beim Ausbildungskostenrückersatz nicht nur keine Ver­besserungen im Gesetz enthalten sind, sondern zwei ganz ausdrückliche Verschlech­terungen für die ArbeitnehmerInnen gegenüber der jetzigen Situation.

Erstens wird – das ist sehr bekannt geworden – die Frist für die Rückforderung von Ausbildungskosten seitens des Arbeitgebers von drei auf fünf Jahre verlängert; drei Jahre ist die jetzige Gerichtspraxis. – In einer Zeit, in der sich die Halbwertszeit des Wissens immer schneller verringert, eine völlig verquere Vorgangsweise der Bun­desregierung! Was uns besonders stört, meine Damen und Herren, ist, dass Sie das Gesetz jetzt so abgefasst haben, das, abgesehen von den Ausbildungskosten­rück­ersätzen, auch noch der Lohn während der Ausbildungszeit rückverlangt werden kann.

 


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite