Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 139. Sitzung / Seite 251

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22.27.52

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Als ich vor Jahren hier ins Parlament gekommen bin, war ich der Meinung, in den Ausschüssen sitzt sozusagen – wir haben das Thema gehabt – die Elite, die Exzellenz, die Crème de la Crème der Fachleute und ringt stundenlang um Gesetze, um Verbesserungen und feilscht um Inhalte zum Wohle der Bevölkerung. Irgendwie ernüchtert stelle ich fest, dass heute ein Gesetz beschlossen werden soll, dass nicht das Licht des Ausschusses erblicken durfte, warum auch immer: weil die ÖVP so schnell ist, sagt Rasinger, weil man nicht der Zeit hintennach hinken will, weil es eilt. Trotzdem glaube ich, dass es bei einer Materie, die zumindest 2 000 Apotheken betrifft – öffentliche und hausärztliche Apotheken, wo ungeheure Umsätze gemacht werden, wo von beiden Seiten ein wichtiger Versorgungsauftrag erfüllt wird und wo zwei Gruppen mit unterschiedlichen Interessen relativ heftig miteinander kämpfen –, schon notwendig und verantwortlich wäre, dass man darüber spricht. Vom Verhandeln kann ich nämlich nicht reden, wenn ich zwei Stunden mitten an einem Plenartag Zeit habe, mir das durchzulesen.

Das ist unseriös, und ich erwarte mir etwas Seriöses und werde daher – und ich sage es beinhart – egal, was da drinnen steht, nicht zustimmen, denn ich lasse mir weder von der Apothekerkammer noch von der Ärztekammer sagen, dass meine Ent­scheidung drei Stunden nach Erhalt eines Papiers ohne jedwede Diskussion gefällt wurde.

Kollege Rasinger ist einer der ganz Schnellen, die dann Briefe an Ärzte schreiben: Naturalrabatte: Grüne wollen Hausapotheken vernichten! Die Versorgung am Land, die alten Frauen, die kleinen Kinder sind gefährdet! – Das möchte ich nicht wieder lesen. Sag bitte stattdessen den Leuten, warum wir nicht zustimmen!

Jetzt vielleicht etwas Generelles, damit wir das abgehandelt haben: Das Arznei­mittelgesetz ist okay; Patientencharta okay; Heilmasseurgesetz und diese Änderungen okay; alles andere im Großen und Ganzen auch. Aber wenn wir jetzt über Haus­apotheken reden, gibt es ein paar Fragen, die vielleicht in einem Ausschuss zu klären wären. Es fällt natürlich auf, dass hausärztliche Apotheken nahezu in der gleichen Anzahl wie öffentliche Apotheken existieren, da fehlt nicht viel. Jetzt kann man sagen, Österreich ist dermaßen ländlich, dass viele Gebiete ohne Schlittenhunde, ohne Motocross-Maschinen, ohne Jeep und ohne Saurer-Schützenpanzer nicht erreichbar sind – das möchte ich aber belegt haben.

Ich sage trotzdem, dass Hausapotheken eine wichtige Rolle spielen. Aber dass man, weil irgendwo eine Hausapotheke steht, jemand sagt, der es gelernt hat, der es studiert hat – und es sind zu 90 oder 80 Prozent Frauen –, er kann sich dort nicht niederlassen oder erst nach zehn Jahren oder erst dann, wenn das letzte Medikamenten-Ablauf­datum fünf Jahre zurückliegt, das ist seltsam. Ich rede jetzt nicht gegen Ärzte, sondern ich sage einfach für ganz normale Leute mit Hausverstand, was Freiheit eines Berufes ist. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: ... sind keine normalen Leute mit Hausverstand?)

Wenn irgendwo in einem kleinen Ort eine Post existiert und man sagt, sie kann nicht überleben, weshalb sie jetzt noch eine Konditorei dazu betreibt, und wenn dann ein Konditor kommt und sagt: Ich möchte mich da niederlassen!, und dann die Post sagt: Das geht nicht, ich führe die Konditorei weiter!, dann finde ich das auch etwas seltsam.

Also: nicht gegen Hausapotheken, aber schon einen fairen Wettbewerb, in dem beide die Chance des Überlebens, des Wirtschaftens und des klugen Rezeptierens haben, ohne in Versuchung zu geraten und ihr zu erliegen – da wäre ich dafür, und daraus hätte man den Schluss ziehen können, mehr zu diskutieren. (Der Redner hält eine Landkarte von Österreich in die Höhe, auf der zahlreiche rote Punkte zu sehen sind.)


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