Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 142. Sitzung / Seite 79

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Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


11.54.17

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Sehr geehrte Damen und Herren! Durch die Neugestaltung der Patientenverfügung sollen eindeutige und transparente Regelungen geschaffen wer­den, die es Patienten ermöglichen, medizinische Behandlungen auch bei Verlust ihrer Handlungsfähigkeit abzulehnen. Auch wir von der SPÖ verlangen seit längerem die Möglichkeit der Errichtung einer verbindlichen Patientenverfügung, damit der Patient, wenn er noch im Vollbesitz seiner Einsichts- und Urteilsfähigkeit ist, verbindlich fest­legen kann, welche Behandlung er ablehnen will. Patienten erlangen durch diese Möglichkeit Einfluss auf ihre künftige medizinische Behandlung, und ihr Wille wird auch dann noch beachtet, wenn sie selbst nicht mehr in der Lage sind, diesen zu äußern.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist zwar besser als der ursprüngliche Vorschlag, der zur Diskussion vorgelegt wurde, er weist aber unserer Ansicht nach trotz allem noch wesentliche Mängel auf.

Erster wesentlicher Mangel, den wir sehen, sind die formalen Hürden beziehungsweise die strengen Formvorschriften. So wird bei dieser verbindlichen Patientenverfügung verlangt a) eine umfassende ärztliche Aufklärung und b) die Errichtung derselben vor einem Rechtsanwalt, Notar oder einem rechtskundigen Mitarbeiter der Patienten­vertretungen. Hinzu kommt noch, dass nach Ablauf von fünf Jahren die Patienten­verfügung erneuert werden muss.

All diese strengen Erfordernisse – so sieht es auch die Caritas der Diözese Innsbruck Tiroler Hospizgemeinschaft – schränken die Autonomie eher ein, als dass sie diese erweitern. Des Weiteren wird befürchtet – nicht nur von Frau Dr. Medicus von der Tiroler Hospizgemeinschaft, sondern vom Großteil der Expertinnen und Experten, die am diesbezüglichen Hearing teilgenommen haben –, dass diese Form der verbind­lichen Patientenverfügung auf Grund der Formerschwernisse sozusagen ein Minderheitenprogramm werden könnte.

Wie in dieser Regierungsvorlage vorgesehen, können verbindliche Patientenver­fügun­gen auch vor einem rechtskundigen Mitarbeiter der Patientenvertretungen errichtet werden, und in diesem Zusammenhang stellt sich für meine Fraktion als besonderer Mangel dar, dass die Patientenanwaltschaften in Österreich unterschiedliche Struktu­ren aufweisen. So ist beispielsweise die Patientenanwaltschaft in Tirol nur für die Kran­kenanstalten zuständig, sie kann also nicht für niedergelassene Ärzte tätig werden beziehungsweise für Patienten, die dort ihre Krankheiten behandeln lassen bezie­hungsweise die dort ihre Verfügung errichten möchten. Außerdem sind die Patienten­anwaltschaften sehr unterschiedlich ausgestattet, und zwar sowohl in personeller Hinsicht als auch im Hinblick auf ihr Betätigungsfeld.

Ein anderer Schwachpunkt dieser Regierungsvorlage ist der, dass die Kosten für die Errichtung einer Patientenverfügung relativ hoch sind, und zwar auf Grund dessen, dass man diese vor einem Notar oder vor einem Rechtsanwalt errichten muss. Sie werden auf 100 bis 300 € geschätzt.  – Mein Kollege Puswald wird sich dazu noch im Detail äußern.

Ein weiterer großer Schwachpunkt dieser Regierungsvorlage ist unseres Erachtens auch der, dass neben den hohen Kosten der Gang zum Notar oder zum Anwalt für viele Bürger in unserem Staat keine Selbstverständlichkeit ist, sondern er für sie noch immer eine Hürde beziehungsweise eine große Schwelle bedeutet, sodass er dann eher unterlassen wird.

 


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