Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 142. Sitzung / Seite 163

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Tatsache ist schon, dass diese Affäre um die BAWAG und um den ÖGB es natürlich den Regierungsparteien ermöglicht, von ihren Fehlern abzulenken: von der Arbeits­markt-Misere, davon, was an den Schulen und an den Universitäten passiert (Abg. Dr. Stummvoll: Wollen Sie nichts aufdecken?), davon, wie es um die Frauenbeschäf­tigung bestellt ist und was in der Energiepolitik geschieht. (Abg. Dr. Fekter: Österreich steht gut da!) All das ist momentan kein Thema! Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Dass die Regierungsparteien diese Affäre dankbarst aufgreifen, ist ja kein Wunder.

Mir tut das in gewisser Weise doppelt Leid: erstens, weil es den Regierungsparteien ermöglicht, von ihren eigenen Fehlern und Versäumnissen abzulenken (Abg. Dr. Stummvoll: Wollen Sie es nicht aufdecken?), und zweitens – und das ist noch wichtiger –, weil die Grünen starke Gewerkschaften in Österreich haben wollen.

Wir Grünen wollen eine starke Vertretung der Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. (Abg. Murauer: So wie wir!) Wir wollen, dass diese Gewerkschaften so wie bisher diese Interessen energisch und, wenn es sein muss, auch mit Streikdrohun­gen vertreten – mit wirtschaftspolitischem Augenmaß. Die österreichischen Gewerk­schaften sind international dafür bekannt, dass sie die Balance zwischen den verschiedenen Interessen ihrer Politik in der Vergangenheit sehr gut gehalten haben.

Dieser Ruf ist zu verteidigen! – Aber eigentlich muss ich sagen: Dieser Ruf ist wieder­herzustellen, denn das, was da passiert ist, hat selbstverständlich eine Vertrauenskrise um den Österreichischen Gewerkschaftsbund ausgelöst, und die Glaubwürdigkeit dieser Institution ist deutlich angeschlagen.

Der ÖGB und die SPÖ – die SPÖ kann nicht so tun, als würde sie das gar nichts angehen! – sind schon gefordert, mit sehr schmerzvollen Maßnahmen dem gegen­zusteuern, und ich glaube nicht, dass das reicht, was bisher unternommen worden ist.

Unter anderem bin ich überzeugt, dass – das ist ein ganz wesentlicher Punkt und, wie ich meine, sehr schmerzhaft für den ÖGB und möglicherweise auch für die SPÖ – sich der ÖGB von der BAWAG trennen sollte. Aus einer Reihe von Gründen sollte sich der Österreichische Gewerkschaftsbund von dieser Bank trennen, denn seit Jahren – nicht erst seit gestern, seit mindestens 15 Jahren! – sind da unlösbare Interessenkonflikte zwischen der Gewerkschaft einerseits und dieser Bank andererseits, aber auch innerhalb der einzelnen Gewerkschaften, zu beobachten. Sie handeln sich da massive Glaubwürdigkeitsprobleme im ÖGB, in der Arbeiterkammer und in der Folge natürlich auch in der SPÖ ein. (Beifall bei den Grünen.)

Der letzte Anlassfall von gestern waren die Eurofighter. – Na, klassisch! Ausgerechnet die BAWAG hat die Vorfinanzierung der Eurofighter übernommen! (Abg. Dr. Stumm­voll: Da war Van der Bellen auch überrascht!) Das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen!

Nur muss ich dazusagen: Die Bank ist eine Bank, eine Aktiengesellschaft, für die Bank ist das ein ganz normales Geschäft. Aber wie schaut das für den ÖGB aus, für die Gewerkschaftsmitglieder, soweit sie sozialdemokratisch orientiert sind, die sich tagtäglich – und nicht mit Unrecht – von den Grünen, aber auch von der SPÖ haben sagen lassen: Das ist die größte Fehlinvestition in der Geschichte der Zweiten Republik!? – Und dann macht die gewerkschaftseigene Bank die Vorfinanzierung der Eurofighter. Also wenn dieses Geschäft vom Finanzminister eingefädelt worden ist, dann muss ich sagen: Respekt! Das ist Machiavellismus pur! (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe lange nachgedacht und mich dann gefragt: Was wäre auf Seiten der Grünen etwas Ähnliches? Dann ist mir Folgendes eingefallen: Wenn die Grünen – ange­nommen; es ist zwar undenkbar, aber wir haben vieles für undenkbar gehalten –


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