Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 144. Sitzung / Seite 5

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Wir haben heute die Gelegenheit, darüber zu diskutieren, was uns Österreichern in der Justizpolitik wichtig ist und welche Botschaft wir Ihnen auf Ihrem Weg nach Brüssel mitgeben, Frau Minister, damit Sie unsere Wünsche und unsere Anregungen im Inter­esse der Österreicher befolgen.

Gerade in der Justizpolitik gibt es einige Bereiche, bei denen wir nach meinen Vorstel­lungen kein einheitliches EU-Recht zulassen sollen. Ich meine, dass gerade im Straf­rechtsbereich weiterhin das nationale Recht Geltung behalten soll, obwohl es in der EU immer wieder Tendenzen zur Vereinheitlichung des Strafrechtes gibt.

Es gibt immer wieder Vorstöße, dass die Tatbestände vereinheitlicht werden sollen, dass der Strafvollzug vereinheitlicht werden soll, dass die Strafen vereinheitlicht wer­den sollen und EU-weit geregelt werden müssen. Ich bin überzeugt davon, dass das nicht sinnvoll ist, denn jedes Land in Europa hat seine historisch entstandenen Sys­teme und unterscheidet sich von jedem anderen Land derart gravierend, dass eine Vereinheitlichung nicht nur unendlich schwierig wäre, sondern auch jeder Kompromiss, der da zustande käme, sicher unbefriedigend wäre für alle Länder.

So werden in Österreich zum Beispiel Freiheitsstrafen generell zu 80 Prozent verbüßt. In Großbritannien aber hat man, wenn man eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren be­kommen hat, unter Umständen die Chance, schon nach einem Jahr freizugehen. Das heißt, es sind derart große Differenzen gegeben, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass es da sinnvolle Regelungen geben könnte.

Frau Minister! Wir bitten Sie, allen Vorstößen und allen Tendenzen zu einer Vereinheit­lichung des Strafrechts in der EU entgegenzuwirken und zu sagen: Wir haben ein wirklich sehr gut ausgebautes Strafrechtssystem, von dem wir nicht abweichen wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ein weiteres Verlangen der EU – ich nenne es einmal so: der EU – ist der so genannte europäische Staatsanwalt. Es soll seitens der EU eine eigene Behörde eingerichtet werden, ein Staatsanwalt, der für ganz bestimmte Delikte zuständig ist, nämlich für An­griffe auf die EU selbst, Betrügereien an der EU, Subventionsbetrug und so weiter, also eine Spezialstaatsanwaltschaft, die unabhängig von unserer österreichischen Gesetz­gebung und Rechtsordnung agiert. Das heißt, dieser europäische Staatsanwalt könnte abgehoben agieren, Hausdurchsuchungen veranlassen, Anklagen erheben, Urteile sprechen und so weiter, ohne auf unser Rechtssystem einzugehen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Was haben Sie gesagt? (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die euro­päische Staatsanwaltschaft. (Abg. Riepl: „Urteile sprechen“?) Ich habe eine bestimmte Redezeit, ich kann jetzt nicht darauf eingehen, aber Sie haben ja die Möglichkeit, dann im Rahmen einer Wortmeldung darauf zu reagieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Minister! Wir haben ein hoch entwickeltes Rechtssystem, und ich bin überzeugt davon, dass wir auch in der Lage sind – das müssen wir auch in Brüssel darlegen –, sämtliche Arten von Rechtsbruch zu verfolgen, auch wenn sie gegen die EU gerichtet sind. Wie gesagt, diesbezüglich gibt es von unserer Seite her große Ablehnung gegen den europäischen Staatsanwalt beziehungsweise gegen die europäische Staatsanwalt­schaft.

Ein weiteres Vorhaben in der EU ist – da hat ja Österreich die Initiative ergriffen –, dass der Strafvollzug im jeweiligen Heimatland erfolgen soll. Das ist einerseits zu begrüßen, denn in Österreich sind ungefähr 43 Prozent der Häftlinge Ausländer, und es ist nicht einzusehen, dass wir die Kosten tragen sollen, die eigentlich das Heimatland tragen sollte. Nur: Der Haken an der ganzen Geschichte ist, dass man eine so genannte An­passung nicht vornehmen möchte. Das heißt also andererseits, dass österreichische Urteile zum Beispiel nach niederländischem Recht vollzogen werden. Vollzugsrecht:


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