Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 144. Sitzung / Seite 21

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11.09.11

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Zurück zur Justizpolitik! Es gibt Fälle, die einem enorm ans Herz gehen, so zum Beispiel, wenn ein Kind kommt, sich dauernd den Oberarm hält, wir dann nachfragen und nachschauen, was das Kind dort hat, und feststellen müssen, es hat eine mit einem Feuerzeug zugefügte tiefe Brandwunde, und sich dann heraus­stellt, dass das der Schlepper war, weil das Kind einfach zu wenig gestohlen hat. Oder: Ein Kind – auch wieder; weil es zu wenig gestohlen hat – ist der Prostitution zugeführt worden und dort wiederum auf einen Perversen gestoßen, der ihm die Brust blauge­quetscht hat. – Das sind Fälle, wo man sich gar nicht vorstellen kann, welchen Qualen die Betreffenden durch ihre Peiniger ausgesetzt sind.

Sie fragen sich sicherlich, sehr geehrte Damen und Herren, worum es hier geht. – Das war ein Zitat von Herrn Ceipek, der beim Amt für Jugend und Familie in Wien tätig ist. Er sagte dies am Dienstag in der ORF-Sendung „Report“ zum Thema „Menschenhan­del“. Vielleicht, sehr geehrte Damen und Herren, haben einige von Ihnen diese Sen­dung gesehen.

20 807 geschleppte Personen wurden in Österreich aufgegriffen, und unter diesen 20 807 Menschen waren 2 497 Kinder! Das ist eine wirklich tragische Geschichte. Hier muss etwas getan werden, hier muss europaweit etwas getan werden, Frau Ministerin! (Allgemeiner Beifall.)

Es ist kein Geheimnis, dass es sich beim Frauen- und Kinderhandel um ein massives Problem moderner Sklaverei handelt – und das inmitten der EU! Man schätzt, dass 500 000 Frauen in den Westen Europas geschleppt werden. Das sind Tatsachen, und das ist verwerflich! In welch einer Gesellschaft leben wir überhaupt?! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

78 Prozent der Opfer, die dem Frauenhandel zuzuzählen sind, werden der Zwangs­prostitution zugeführt. In einigen Dörfern in Moldawien gibt es schon keine jungen Frauen mehr. Die Frauen gehen weg, dorthin, wo sie glauben, dass ein besseres Le­ben auf sie wartet. Es gibt in einigen Dörfern in Moldawien keine Frauen mehr unter 25. Sie kommen nach Europa, der Traum vom Paradies erfüllt sich jedoch nicht, und oft werden diese Frauen dann der zwangsweisen Bettelei, der Zwangsprostitution zugeführt, müssen Leib und Seele als Prostituierte verkaufen. Verloren dabei geht der Selbstwert, verloren geht die Würde des Menschen.

Die Profite der Händler und Zuhälterringe, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden mittlerweile auf 7 bis 15 Milliarden € geschätzt. Das Geschäft mit der Ware Mensch ist ein gutes, ein florierendes Geschäft und hat mittlerweile nach dem Drogen- und dem Waffenhandel den dritten Platz eingenommen. Und dem muss Einhalt gebo­ten werden, sehr geehrte Damen und Herren!

Da wir heute hier eine erfolgreiche Justizpolitik zum Wohle Österreichs und der euro­päischen Sicherheit diskutieren, frage ich Sie, Frau Ministerin Gastinger: Wo in Europa ist für diese Frauen und Kinder Sicherheit gewährleistet? Ist die Justizpolitik wirklich so erfolgreich? Ist es zum Wohle Österreichs, wenn auch bei uns diese Art der Barbarei herrscht? – Hier muss etwas getan werden!

Wenn im Haager Programm vom November 2004 die Stärkung der Freiheit, der Si­cherheit und des Rechtes in der EU als Ziel festgeschrieben ist, dann frage ich Sie, Frau Ministerin: Besteht hier nicht ein enormer Widerspruch zwischen diesen Ziele und der Realität in Europa?

Zum Thema „Menschenhandel“ wurde bereits – Frau Kollegin Fekter hat kurz darauf hingewiesen – eine Reihe von Konventionen diskutiert und verabschiedet; von der UN,


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