Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 152. Sitzung / Seite 5

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die für einen ganz großen Bereich des Sozialen zuständig ist, und es fehlt mir natürlich auch Herr Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, denn er war es, der schon vor der Ratspräsidentschaft Worte zu diesem Thema gefunden hat, die auf der einen Seite durchaus richtig sind, die er aber auf der anderen Seite durchaus erklären müsste.

Meine Damen und Herren! Bundeskanzler Schüssel war es, der gesagt hat: Europa soll menschlicher, sozialer und nachhaltiger werden. – Ja, das könnten wir schon unter­schreiben.

Bundeskanzler Schüssel war es aber auch, der gesagt hat: „In einigen Bereichen, etwa im Bereich des Sozialstaats, müssen wir nachjustieren. Da muss es eine gewisse Abschlankung und eine größere Treffsicherheit geben.“ – Das hat Bundeskanzler Schüssel nicht im Jahr 2000 gesagt, also noch vor Beginn der Pensionsreformen und der sonstigen sozialen Abschlankungsreformen, sondern am 20. November 2005.

Herr Bundeskanzler Schüssel, ich frage Sie an dieser Stelle (Ruf bei der ÖVP: Er ist ja nicht da!): Wo wollen Sie den Sozialstaat noch abschlanken? Ist er nicht etwa im Bereich der sozialen Sicherung schon genug abgeschlankt, meine sehr geehrten Da­men und Herren? (Abg. Murauer: Das Gegenteil ist der Fall!) Ist nicht das Problem, das wir hier in Europa, in den verschiedenen europäischen Ländern haben, dass im Sozialbereich, dort, wo es eigentlich notwendig wäre, dort, wo die Schere am deut­lichsten sichtbar auseinander geht, immer mehr Länder – nicht nur Österreich, aber Österreich im Besonderen – dazu übergehen, Einsparungsprogramme vorzunehmen im Interesse eines Standortwettbewerbs, der das angeblich notwendig macht?!

Damit bin ich gleich beim Thema, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wie soll dieses Europa zusammenwachsen, wie sollen die Länder der Europäischen Union, die Regionen der Europäischen Union, die Gemeinden der Europäischen Union zusam­menwachsen, wenn ausgerechnet die Gemeinden, die Regionen und die Länder in einen immer größeren Standortwettbewerb getrieben werden? – Unternehmen sollen konkurrieren, aber nicht Länder, Regionen und Gemeinden! Das würde ich mir von einem sozialen Europa wünschen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Kommen wir gleich zu einem der Themen, bei denen am deutlichsten sichtbar wird, dass die Entwicklung, welche die europäischen Regierungen, auch die österreichische Regierung, zu verantworten haben, in eine falsche Richtung geht: dem Steuerwett­bewerb zwischen den Ländern.

Wenn Österreich, wie das geschehen ist, seine Gewinnsteuern, die Körperschaftsteuer auf 25 Prozent senkt, wenn die Bundesrepublik Deutschland eine nominale Gewinn­steuer von 35 Prozent hat, wenn die Slowakei eine Gewinnsteuer von 19 Prozent hat, unter dem Strich bei den effektiven Steuersätzen aber herauskommt, dass Österreich derzeit bei den Gewinnsteuern effektiv die niedrigsten Steuersätze – nämlich nicht 25 Prozent, sondern 16, 17 Prozent – hat, gemeinsam mit Deutschland, (Zwischenruf des Abg. Rädler), dann stimmt doch etwas nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es kann doch nicht die Zukunft Europas sein, dass wir uns einen Steuer­wett­bewerb nach unten liefern, bei dem herauskommt, dass jenes Land am besten ist, in dem Unternehmen überhaupt keine Gewinnsteuern mehr zahlen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Sie lachen, Herr Fasslabend, offensichtlich ist das auch Ihre Intention. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir wollen, dass Schluss ist mit diesen Ausnahmen, mit diesem Standortwettbewerb (Abg. Dr. Fasslabend: Arbeitsplätze!), der für die Wirtschafts- und Sozialsysteme Europas ruinös ist, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

 


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