Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 153. Sitzung / Seite 50

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Thema „Rückfall“ gegeben; Rückfallstatistiken wurden geführt, es wurde so etwas wie eine Begleitforschung über den „Erfolg des Strafvollzugs in Österreich“ – unter Anfüh­rungszeichen – initiiert. In den letzten fünf Jahren ist auch ein Erfolg zu verzeichnen, und dieser Erfolg drückt sich folgendermaßen aus: So volle Häfen wie jetzt hat es noch nie gegeben, und die hohe Verwirrung in der Aufsicht des Strafvollzugs und seines Personals, vor allem durch die Übertragung der so genannten Fachaufsicht auf die vier Oberlandesgerichte und Oberlandesgerichtspräsidenten, hat einiges an Ungemach mit sich gebracht.

Ich vertraue Otto Pendl, dem Kollegen im Nationalrat, der am meisten und intensivsten mit dem Strafvollzug befasst ist – nicht nur weil er dort beschäftigt ist, sondern weil er schon jahrelang Personalvertreter ist –, und seinen Erfahrungen. Ich vertraue ihm aber nicht, wenn es um Strafvollzug und um Verbesserungen im Strafvollzug geht und man alles immer durch eine Brille sieht, nämlich durch die Brille jener, die im Strafvollzug beschäftigt sind – durch die Brille der Bediensteten. Das ist zwar die nobelste und vorrangigste Aufgabe von Personalvertretern, gut, aber sie sehen es aus ihren Bedürfnissen heraus.

Wenn es jetzt Gespräche, Verhandlungen über die neuen Posten, die es in der Vollzugs­direktion geben wird, über die Abteilungen und Stellvertretungen gibt, darüber, wer redet wo mit und wer bekommt welchen Posten mit welcher Dotierung, und die Personalvertretung sagt: Wir sind sehr zufrieden und stimmen zu!, dann ist das aus der engen Sicht der Personalvertretung vielleicht verständlich, aber es hat nichts zu tun mit der Perspektive und mit einem sinnvollen Organisationsaufbau des österreichischen Strafvollzugs.

Deshalb bleibe ich bei meinen Kritikpunkten, die ich jetzt schon mehrmals vorgebracht habe. Eigentlich ist es ein jämmerliches Ergebnis von vier Jahren Regierungsarbeit, wenn in Sachen Strafvollzug als einzige Reform jene übrig bleibt, dass man in der Struktur des Strafvollzuges, in der Organisationsstruktur etwas ändert. Zu allen ande­ren brisanten Punkten, nämlich zur Reform der bedingten Entlassung, zur Reform bei Alternativen zum Strafvollzug – ein bisschen mehr als zwei Gefangene, die sich mit Fußfesseln irgendwo in der Umgebung von Hirtenberg bewegen –, zum weiteren Ausbau der Diversion, nicht nur des außergerichtlichen Tatausgleiches, sondern ande­rer diversioneller Maßnahmen, ist in den letzten Jahren im Nationalrat nichts passiert.

Der Gesetzesantrag der Grünen zur Reform der bedingten Entlassung ist dem Justiz­ausschuss zugewiesen worden, ist formal im Justizausschuss auf der Tagesordnung gestanden, aber eine inhaltliche Diskussion darüber gab es nicht, weil für die inhalt­liche Diskussion auf den Zeitpunkt der großen Reformen verwiesen wurde. Und jetzt kommt Frau Minister Gastinger und sagt: Wir machen eine Organisationsreform, das ist unser Beitrag zum Strafvollzug! – Das ist nicht unser Verständnis!

Statt Organisationsstrukturen umzugestalten und punktuell irgendwo ein Projekt zum Teil umzusetzen, wäre es dringend geboten, Frau Ministerin, dass wir einen breiten Diskussionsprozess dazu in Gang setzen – wir, das sind Sie gemeinsam mit dem Parlament oder das Parlament gemeinsam mit Ihnen –, um jene Reformvorschläge, die schon seit langem hier auf dem Tisch liegen – „auf dem Tisch“ ist gut, im Ausschuss, in der Schublade liegen; wenn sie auf dem Tisch wären, dann wären sie ja fast einsichtig – beziehungsweise in der Schublade versteckt liegen, endlich einmal anzu­gehen.

Ich gebe zu, oppositionelle Anträge müssen nicht das Gelbe vom Ei sein. Die Vor­schläge, die wir zur bedingten Entlassung gemacht haben, haben in der Wissenschaft unterschiedliche Reaktionen ausgelöst, aber ich habe nie jemanden gehört, der gesagt hätte, das sei nicht diskussionswürdig, sondern es hat ganz im Gegenteil geheißen:


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