Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / Seite 54

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

einig hier im Hohen Haus – eine absolute Notwendigkeit, die Instrumente der direkten Demokratie nicht nur in Sonntagsreden zu achten, sondern auch wirklich ernst zu nehmen und sich mit der Meinung der Bevölkerung entsprechend auseinander zu setzen. Gerade bei dieser Materie, nämlich der EU-Politik, wäre es meiner Meinung nach durchaus interessant, wichtig und notwendig, der Bevölkerung mehr Mög­lichkeiten zu geben, sich auch zu artikulieren.

Deshalb ist es schade, dass die Einleiter und Betreiber dieses Volksbegehrens relativ wenig daraus gemacht haben, vor allem was den Inhalt und die Diktion betrifft. Man sollte aber aus der relativ geringen Zahl von Unterschriften jetzt nicht schließen, dass nicht mehr Österreicherinnen und Österreicher der Europäischen Union und den verschiedenen Projekten kritisch gegenüberstehen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass es notwendig ist, darüber zu diskutieren, in welchen Bereichen die Europäische Union da eine verfehlte Politik macht. Und da ist das Verfahren rund um die Türkei durchaus anzusprechen. Ich halte es für einen Fehler, dass man jetzt mit einem Land Beitrittsverhandlungen eröffnet hat, wo jeder in Wahrheit weiß – selbst jene, die sich in Sonntagsreden für den Beitritt der Türkei aussprechen –, dass dieses Land auf absehbare Zeit die Kriterien für eine Voll­mit­gliedschaft bei dieser Europäischen Union nicht erfüllen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ.)

Kollege Gusenbauer hat ja einen Punkt angesprochen, dass man nämlich mit einem Land Beitrittsverhandlungen aufnimmt, das nicht einmal bereit ist, alle Mitgliedsländer der Europäischen Union, in diesem Fall Zypern, als souveränen, unabhängigen Staat anzuerkennen, wo man zwar Gesetze in Richtung mehr Rechtsstaatlichkeit, in Richtung mehr Achtung von Menschenrechten verabschiedet, aber dann gleich wieder relativiert, und wo man auch sieht, dass diese Gesetze in der Türkei nicht einmal gesellschaftlich akzeptiert sind und dass auch die Pressefreiheit und die Meinungs­freiheit nicht garantiert sind. Ja man muss sich sogar mit so skurrilen Dingen auseinander setzen, dass Karikaturfiguren verboten werden, weil man der Meinung ist, dass dies irgendwelchen religiösen Grundsätzen widerspricht.

Dann muss man ganz einfach zur Kenntnis nehmen, dass in diesem Fall die Grundwerte der Europäischen Union – und wir sehen doch diese Europäische Union nicht nur als Wirtschaftsgemeinschaft, sondern auch als Wertegemeinschaft – nicht beachtet werden und dass es selbstverständlich auch die Aufnahmefähigkeit dieser Europäischen Union nicht zulässt, dieser Erweiterung zuzustimmen. Und ich sage Ihnen: Es ist auch unehrlich, diese Verhandlungen jetzt zu führen – jeder sagt es, auch Kollege Gusenbauer –, die werden zehn, fünfzehn Jahre dauern, und am Ende wird dann halt die Erkenntnis stehen: Na ja, es ist vielleicht nicht möglich! Oder, was vielleicht noch gefährlicher ist: Man wird sich wieder vorbeischwindeln an der Realität und man wird wieder irgendwelche Konglomerate zusammenbringen, damit man auch dann nicht die Wahrheit sagen muss, dass diese Vollmitgliedschaft nicht möglich ist. (Abg. Marizzi: Der Haider auch ...!)

Ja, Kollege Marizzi, wenn Sie das ansprechen, dann muss ich sagen: Es ist schon so, dass die Türkei auch strategisch ein wichtiges Land ist. Auch wir wollen nicht, dass in der Türkei ein radikaler Islamismus an die Macht kommt. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.) Auch wir wollen nicht, dass man die Türkei sozusagen ins Abseits stellt. Aber es geht darum, wie das passieren soll. Und ich sage Ihnen: Egal, wer das verlangt hat, jene, die meinen, das soll durch eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union passieren, liegen da falsch. Wir brauchen andere Mittel, um die Türkei entsprechend an Europa heranzuführen. Ich habe vorgeschlagen, eine Art Partnerschaft für Europa zu stellen, wo man eine maßgeschneiderte Zusammenarbeit


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite