Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / Seite 55

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mit der Türkei oder auch mit anderen Ländern Europas und außerhalb Europas, die nicht Mitglied dieser Union werden können, schaffen kann.

Es wird in diesem Volksbegehren verlangt, eine Volksabstimmung über diesen Beitritt durchzuführen. Ich sage Ihnen, ich gehe davon aus, dass es gar nicht so weit kommt, dass über diese Frage abzustimmen ist, weil ich hoffe, dass sich irgendwann einmal in der Europäischen Union die Vernunft durchsetzt und man zu der Erkenntnis kommt, dass das eben nicht möglich ist. Aber wir haben jedenfalls schon festgelegt, dass die Bevölkerung in jedem Fall über diese Mitgliedschaft der Türkei abstimmen sollte.

Zur Sicherheitspolitik und zur Neutralität: Es ist es schon lustig, dass die Betreiber des Volksbegehrens jetzt einen Neutralitätsbegriff der fünfziger Jahre unterstützen, aber bis vor kurzem noch die NATO-Mitgliedschaft im Parteiprogramm gehabt haben. Herr Kollege Gusenbauer, Sie brauchen sich aber darüber nicht zu mokieren, denn das ist eine ähnliche Politik, mit der Neutralität Stimmung zu erzeugen, wie Sie es ja seit Jahr und Tag machen: auf der einen Seite mit der Mitgliedschaft Österreichs in der Euro­päischen Union und der damit notwendig gewordenen Verfassungsänderung die Neutralität de facto abzuschaffen oder weitestgehend auszuhöhlen, aber dann bei jeder Wahl so zu tun, als ob man selbst der Verteidiger und Verfechter der Neutralität wäre. – Also das liegt auf derselben Ebene. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ.)

Die Realität ist doch die, dass wir alle ein Interesse daran haben, dass es endlich eine funktionierende, schlagkräftige europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik gibt. Deshalb ist es auch völlig verfehlt, wenn hier verlangt wird, dass Artikel 23f der Bundesverfassung abgeschafft werden soll, der ja die Teilnahme Österreichs an diesen europäischen Sicherheitskomponenten vorsieht und regelt. Wenn sich die Euro­päische Union dafür einsetzt, dass die Menschenrechte in Europa und außerhalb Europas wahrgenommen werden, dass Diktatoren in die Schranken gewiesen werden, dann kann man doch nicht von Krieg reden, sondern das ist eine notwendige Maßnahme, die auch zur Sicherheit Österreichs einen Beitrag leistet.

Oder soll man wegschauen, wenn Menschen gefoltert, umgebracht, vertrieben wer­den? Was haben wir denn alle – Gott sei Dank, es hat bei manchen lange gedauert – zur Situation am Balkan gesagt? – Dass selbstverständlich das diktato­rische Regime von Milošević in die Schranken gewiesen werden muss, und wenn es nicht mit Verhandlungen geht, dann ist es notwendig, dass die Staatengemeinschaft auch einen militärischen Beitrag zu dieser Sicherheit leistet. Und man soll nicht vergessen, dass dieser Krieg – und das war ein Bürgerkrieg in Exjugoslawien – dann letztlich bis an unsere Grenzen gekommen ist.

Wenn die SPÖ immer das UNO-Mandat verlangt, dann ist wirklich die Frage zu stellen, warum man 1998 eine Verfassungsänderung gemacht hat, wo die Teilnahme Öster­reichs an europäischen Friedens- und Kampfeinsätzen vorgesehen ist, und zwar ohne UNO-Mandat. Das ist genau diese doppelbödige Politik: auf der einen Seite etwas beschließen und auf der anderen Seite ganz etwas anderes fordern!

Ich sage Ihnen: Ich würde mir wünschen, dass das UNO-Mandat als Grundvoraus­setzung für jeden militärischen Einsatz heranzuziehen ist, aber bei der derzeitigen Struktur der Vereinten Nationen mit dem Veto der Sicherheitsratsmitglieder ist das ganz einfach nicht möglich. Es kann doch nicht abhängig davon sein, ob jetzt China oder andere Länder, die nicht nach unseren Kriterien Politik machen, einem Mandat zustimmen oder nicht. Und Sie wissen ganz genau, dass es schon einmal der Fall gewesen ist, dass ein UNO-Sicherheitsratsmandat für eine Friedensmission in Maze­donien daran gescheitert ist, dass China ein Veto eingelegt hat, und zwar nur deshalb, weil Mazedonien einen Vertrag mit der Republik Taiwan abgeschlossen hat. Und solange solche Politiken in der Lage sind, wichtige sicherheitspolitische Instrumente zu


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