Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / Seite 66

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präsidentschaft Österreichs der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ein ausführliches Interview gegeben, das sozusagen eine Art Resümee ist, und dieses leistet dreierlei hervorragend:

Erstens: Man bekommt Klarheit über die politischen Perspektiven.

Zweitens: Es wird ganz offen auch darüber gesprochen, welche Strategien und Tak­tiken vorgesehen sind, um diese auch zu erreichen.

Drittens: Es liefert eine hervorragende Rechtfertigung für das Volksbegehren der Freiheitlichen Partei.

Es geht in diesem Interview um die künftigen EU-Erweiterungen, und dazu sagt EU-Ratspräsident Schüssel Folgendes – ich zitiere –:

„Es ist wichtig, dass für die Ukraine, die Länder des Kaukasus, die Türkei, die Maghreb-Staaten“ – Nordafrika – „partnerschaftliche Beziehungen entwickelt werden.“  – Das haben wir in Österreich so noch nicht gehört.

Und weiters: „Die können sehr weit gehen und fast eine Art Mitgliedschaft erreichen, ohne es dem Namen nach zu sein.“ – Man sollte es nicht, aber manchmal passiert es eben doch, dass man seine Strategie aufdeckt. Vor zwei Wochen war es so.

Dann wird seitens des Journalisten die Diskussion aufgenommen, und dieser stellt die Frage:

„Wäre die Differenzierung auch ein Mittel, eine irgendwann drohende Konfrontation mit der Türkei abzuwenden? In Frankreich sollen immerhin die Wähler über einen tür­kischen Beitritt abstimmen.“

Jetzt denkt sich jeder, dass darauf Schüssel sofort sagt: Ja, natürlich, in Österreich auch! Da bin ich den Österreichern im Wort, das habe ich so vorgesehen! Selbst­verständlich machen wir das! – Aber kein Sterbenswörtchen darüber! Und damit ist wohl eines klar: Was der Ratspräsident Schüssel in Europa sagt, deckt sich nicht annähernd mit dem, was der österreichische Kanzler in Österreich verspricht.

Es ist genau die Methode, die nicht sozusagen als Ausrutscher dargelegt ist, sondern die die EU und ihre Politik an sich kennzeichnet, nämlich: Hinter dem Rücken der Bürger, im kleinen Kreis, werden die Dinge ausgemacht und vorbereitet, während man nach außen hin mit Beschwichtigungen die Ängste und Sorgen der Bürger – ich meine, die Bürger haben einen politischen Willen; dass sie Ängste und Sorgen haben, ist an und für sich schon eine abschätzige Einschätzung –, zu vertreiben versucht, während die Bürger beruhigt werden, und dann, wenn die Katze aus dem Sack muss, weil die Zeit reif ist, werden Tatsachen geschaffen, dann wird deren Unvermeidbarkeit behaup­tet und dann werden außerdem noch – ganz wichtig! – Abstimmungen vermieden.

Mein Vorredner Einem sprach in seiner Rede vom „Betriebsunfall“ in Frankreich. Dazu darf ich sagen: Das war kein „Betriebsunfall“! Das war eine demokratische Abstim­mung. Die Bürger haben dargelegt, dass ihnen der Kurs ihrer Regierung in einer entscheidenden Frage gar nicht gefällt.

Sie haben in diesem Vorgehen eine beeindruckende Einmütigkeit erlernt, und die täuscht Sie darüber hinweg, dass die Kluft zum Bürger immer tiefer wird. Sie stellen, wie ich meine, hier übrigens ein Prinzip auf den Kopf, für das Europa 300 Jahre lang gekämpft hat: dass sich nämlich der Herrscher dem Volk verantworten muss. – Sie wollen das eigentlich gar nicht mehr. (Abg. Murauer, lachend: „Der Herrscher“!) Deswegen ist das Volksbegehren als Korrektur dieser Politik eine ganz notwendige Sache.

 


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