Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 158. Sitzung / Seite 109

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25 %-Anteil von Minderheitenangehörigen vorsah. Die zu Korrektur vorgesehene Frist bis 31. 12. 2002 ließ die Bundesregierung völlig ungenutzt verstreichen.

Die Bundesregierung hat seit 2001 den Auftrag des VfGH zur Erlassung einer neuen Topografieverordnung negiert. Am 30.06.2006 wurde völlig überstürzt eine neue Topo­grafieverordnung für Kärnten im Hauptausschuss beschlossen. Diese Verordnung be­inhaltet lediglich 93 Ortstafeln und ist mit Sicherheit (erneut) verfassungswidrig. Der Erstentwurf dieser Verordnung hatte noch 158 zweisprachige Ortstafeln vorgesehen. Am 11. 7. 2006 wurde eine neuerliche Topografieverordnung über 142 Ortstafeln be­schlossen, die nun mangels Verfassungsbestimmung nicht in Kraft treten kann. Diese Verordnung bezieht sich auf ein Gesetz, welches bislang noch nicht beschlossen wurde. Das Resultat ist, dass nun eine verfassungswidrige Topografieverordnung über 93 Ortstafeln in Kraft ist. Dies im 51. Jahr nach in Kraft treten des Staatsvertrages von Wien.

Der Staatsvertrag von Wien regelt im Artikel 7 die Rechte der Minderheiten auf  topo­grafische Aufschriften im Verfassungsrang. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem so genannten Ortstafelerkenntnis 2001 Teile des Volksgruppengesetzes und der Topo­grafieverordnung als verfassungswidrig aufgehoben. Er hat dabei den Staatsvertrag von Wien zur Auslegung herangezogen und ausgesprochen an welchen Kriterien sich eine verfassungskonforme Regelung orientieren muss. Zweisprachige Ortstafeln müs­sen dem gemäß in Ortschaften mit einem Minderheitenprozentsatz von „mehr als 10 % über einen längeren Zeitraum“ aufgestellt werden. Die gegenständliche Regelung des Volksgruppengesetzes hat damit nichts zu tun. Zweisprachige Ortstafeln sind darin erst ab einem Minderheitenanteil von 10 % in Ortschaften und ab 15 % in Gemeinden vor­gesehen. Es besteht ein doppelter Widerspruch zur Rechtsprechung des Verfassungs­gerichtshofes. Dieser sieht in seinen Erkenntnissen eben keinen Mindestanteil von 15 % auf Gemeindeebene vor, zum anderen differenziert der Verfassungsgerichtshof nicht zwischen Ortschaften und Gemeinden, geschweige denn hat er eine kumulative Verknüpfung von Prozentanteilen auf Ortsebene und Gemeindeebene vorgesehen.

Es gibt zwei Möglichkeiten, dieses Problem zu lösen. Die Regierung hat in den letzten Tagen versucht, Bestimmungen, die möglicherweise einer weiteren Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof nicht stand halten, mit einem Verfassungsgesetz jeder Prüfung durch den VfGH zu entziehen. Sie kann dem Nationalrat aber auch eine Vorlage, die als einfaches Gesetz den Erkenntnissen des VfGH, aber vor allem den Bestimmungen des Staatsvertrags entspricht, zuleiten. 51 Jahre nach Unterzeichnung des Staatsver­trages könnte dieser so endlich vollständig umgesetzt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein verfassungs­konformes Volksgruppengesetz zuzuleiten, damit sichergestellt ist, dass eine Be­schlussfassung des Nationalrates noch in dieser Legislaturperiode erfolgen kann.

In diesem Entwurf ist darauf Bedacht zu nehmen, dass weder Landeshauptleuten noch Bürgermeistern die Möglichkeit eröffnet wird, die Umsetzung des Gesetzes zu verhin­dern.

Der Entwurf soll darüber hinaus sicherstellen, dass das Recht des Verfassungsge­richtshofes, die Einhaltung des Staatsvertrags zu prüfen, nicht beschnitten wird.

 


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