Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 158. Sitzung / Seite 111

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Begleitmusik, Blasmusik, anlässlich des Staatsvertragsjubiläums – es war, glaube ich, nicht exakt am 15. Mai, aber rund um den 15. Mai – zusätzlich aufgestellt.

Das ist ein Beispiel jener Art symbolischer Politik, die diese Bundesregierung in den letzten Jahren sehr gerne und sehr häufig bemüht hat. Ich erinnere Sie alle an das Jahr 2000, als wir alle hier, in Eintracht, auch mit Zustimmung der Grünen, den Arti­kel 8 der österreichischen Bundesverfassung geändert haben, die so genannte Staats­zielbestimmung, die die Vielfalt der Sprachen und Kulturen in diesem Land garantiert. (Abg. Scheibner: Na also! – Abg. Mag. Molterer: Genau!) Ja Verfassungsbestimmun­gen, Verfassungsgesetze, Gesetze in diesem Land sind wahnsinnig geduldig.

Damals war das sehr passend. Österreich hatte, um es ein bisschen volkstümlich zu sagen, die „drei Weisen“ im G’nack. Warum hatten wir sie im G’nack? – Auf Grund der unseligen Koalitionen, die eingegangen wurden! Damals war es durchaus opportun, zu sagen: Wir bekennen uns zur Sprachenvielfalt, zur kulturellen Vielfalt! – Schlüsse dar­aus hat dieses Land seither nicht gezogen. Beigesprungen ist den Minderheiten und den Minderheitenangehörigen in diesem Land bis jetzt immer nur der Verfassungsge­richtshof; so auch mit seinem Erkenntnis im Jahr 2001.

Der Verfassungsgerichtshof hat es sich nicht leicht gemacht und hat nach langen und intensiven Analysen, die Grundlage für sein Erkenntnis waren, gesagt, dass es in Ös­terreich so sein soll, dass – was der Staatsvertrag 1955 den Minderheiten garantiert – ein 10-Prozent-Anteil der Minderheit an der Bevölkerung in einer Ortschaft ausreicht und dass das im Vergleich zur internationalen Praxis auch opportun und gegeben zu sein scheint. Er hat die 25-Prozent-Klausel des Gesetzes aus dem Jahr 1976 als ver­fassungswidrig aufgehoben.

Der Verfassungsgerichtshof ist immer gut zur Politik und hat ihr eine Frist gegeben; diese war gar nicht so kurz, sie endete erst mit 31. Dezember 2002. Also ein ganzes Jahr lang hätte die Politik Zeit gehabt, um auf dieses Erkenntnis und auf diese Inter­pretation des Artikel 7 Staatsvertrag von Wien zu reagieren. Die Politik hat – und das überrascht jetzt niemanden, denn das ist schon Geschichte, das ist schon Historie, es liegt fast fünf Jahre zurück – nicht darauf reagiert! Sie hat nicht darauf reagiert, son­dern sie hat – und das ist das für mich Tragische! – eine Politik zugelassen, die Rechtsbruch durch höchste politische Entscheidungsträger in diesem Land salonfähig gemacht hat. (Beifall bei den Grünen.)

Ich erinnere Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, nur an das Ortstafel-Verrücken von Landeshauptmann Haider. Ich erinnere Sie an die Verhöhnung höchster Reprä­sentanten durch Landeshauptmann Haider immer im Zusammenhang mit der Frage der Ortstafeln. Ich erinnere Sie nur daran, wie Minderheitenangehörige, die das Recht wahrnehmen, das jeder Bürger und jede Bürgerin dieses Landes haben, nämlich sich an die Gerichte zu wenden, wie etwa Rudi Vouk, ein Kärntner Slowene (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ein Raser!), der dieses Recht in Anspruch genommen hat, verhöhnt, desavouiert, von Bürgern und Bürgerinnen dieses Landes bedroht wurden. (Abg. Scheibner: Einer, der absichtlich schnell fährt im Ortsgebiet, das ist ein Held?) Im Fall Rudi Vouk wurde sogar seine Existenz als Rechtsanwalt in Frage gestellt. (Abg. Scheibner: Einen Schnellfahrer unterstützen Sie?) – Das alles ist passiert in diesen Jahren und das alles ist unter dem Schutzmantel der Staatszielbestimmung von Bun­deskanzler Schüssel in diesem Land passiert.

Damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, noch nicht genug. Im Burgenland hat es 45 Jahre lang gedauert, Herr Bundeskanzler, um den Staatsvertrag von Wien in Be­zug auf Topographie erstmals zu erfüllen, um jene Rechte umzusetzen, die seit 1945 verbrieft waren, denen für die Angehörigen der Minderheiten aber immer nur durch den Verfassungsgerichtshof zum Durchbruch verholfen wurde. Es geht in dem Fall nicht so


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