Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / Seite 34

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Mit Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, G 213/01 ua., VfSlg. 16.404/2001, hat der Verfassungsgerichtshof eine Wortfolge in § 2 Abs. 1 Z 2 des Volksgruppengesetzes (im Folgenden: VoGrG) als verfassungswidrig aufgehoben.

Um der Staatszielsbestimmung des Art. 8 Abs. 2 B VG verstärkt Rechnung zu tragen, eine dem Staatsvertrag von Wien (im Folgenden: StV Wien), insbesondere dessen Art. 7, entsprechende Regelung zu treffen und den zuständigen Behörden eine klare Grundlage für die Vollziehung zur Verfügung zu stellen, soll das Volksgruppengesetz novelliert werden.

Zu Z 1 (Titel):

Durch Z 1 sollen der Gesetzestitel neu gefasst und diesem eine Abkürzung angefügt werden (vgl. die RL 101 und 103 der Legistischen Richtlinien 1990).

Zu Z 2 (§ 2 Abs. 1), Z 3 (§§ 2a bis 2c), Z 4 (§ 2d), Z 10 (§ 12 Abs. 1 und 2) und Z 15 (Anlage):

Vor der unter BGBl. I Nr. 35/2002 kundgemachten, mit Ablauf des 31. Dezember 2002 in Kraft getretenen Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof (Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, G 213/01 ua., VfSlg. 16.404/2001), lautete § 2 Abs. 1 Z 2 VoGrG: „Durch Verordnungen der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates sind nach Anhörung der in Betracht kommenden Landesregierung festzulegen: 1. []. 2. Die Gebietsteile, in denen wegen der verhältnismäßig beträchtlichen Zahl (ein Viertel) der dort wohnhaften Volksgruppenangehörigen topo­graphische Bezeichnungen zweisprachig anzubringen sind. 3. []“. Die Wortfolge „wegen der verhältnismäßig beträchtlichen Zahl (ein Viertel) der dort wohnhaften Volksgruppenangehörigen“ wurde vom Verfassungsgerichtshof wegen Widerspruchs zu Art. 7 Z 3 StV Wien aufgehoben. § 2 Abs. 1 VoGrG lautet daher nunmehr wie folgt: „Durch Verordnungen der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates sind nach Anhörung der in Betracht kommenden Landesregierung festzulegen: 1. [] 2. Die Gebietsteile, in denen topographische Bezeichnungen zweisprachig anzubringen sind. 3. []“. Ein bestimmter Prozentsatz von Volksgruppen­angehörigen, der die Anbringung zweisprachiger topographischer Bezeichnungen erfordern würde, ist in § 2 VoGrG nicht mehr festgelegt.

Die Frage, wann ein Verwaltungsbezirk mit gemischter Bevölkerung im Sinne des Art. 7 Z 3 StV Wien vorliegt, kann auf Grund einer Interpretation dieser Bestimmung nicht eindeutig beantwortet werden (vgl. auch Kolonovits, Art. 7 Z 2-4 StV Wien, in: Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht Rz 91 [2005]: „[E]in eindeutiger Prozent­satz [kann] weder dem Art 7 Z 3 StV Wien noch sonst dem Völkerrecht auf rein erkenntnismäßigem Weg entnommen werden“). Bei der Ausführung der Staats­vertragsbestimmung besteht daher ein Gestaltungsspielraum der Gesetzgebung (vgl. auch dazu Kolonovits, aaO Rz 58).

Insbesondere lässt sich weder aus Art. 7 Z 3 StV Wien noch aus der völkerrechtlichen Praxis ein bestimmter Minderheitenprozentsatz ableiten, der für das Vorliegen einer „gemischten Bevölkerung“ maßgeblich ist; die Bandbreite in der internationalen Praxis bewegt sich in etwa zwischen 5 und 25% (vgl. Kolonovits, aaO, Rz 55, mwN; Matscher, Die Ortstafelfrage aus der Sicht der Ortstafelkommission, in: Die Ortstafelfrage aus Expertensicht. Eine kritische Beleuchtung [2006] 111 [114]). Der Verfassungs­gerichtshof, der diese Frage in von ihm zu entscheidenden Fällen zu beurteilen hatte, hat in den Erkenntnissen VfSlg. 16.404/2001, VfGH 12.12.2005, V 64/05, und VfGH 26.6.2006, V 20-22/06 ua., ausgeführt, dass eine Ortschaft (auch noch dann) als Verwaltungsbezirk mit gemischter Bevölkerung zu qualifizieren sei, wenn sie über einen längeren Zeitraum betrachtet einen Minderheitenprozentsatz von mehr als 10% aufweist.

 


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