Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / Seite 106

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Ich werde Sie jetzt überraschen, Herr Bundeskanzler. Ich habe mir das jetzt angesehen und ich bin so weit, zu sagen: Es war nicht alles schlecht; sonst hätten wir auch nicht so vieles gemeinsam hier beschlossen. Wirklich, es war nicht alles schlecht. So zum Beispiel die Aufhebung der Zweidrittelblockade bei den Schulgesetzen. Wir haben ein bisschen Druck ausüben müssen, denn da waren Sie nicht so dafür, aber es ist gegangen. Oder das Bundestierschutzgesetz. Es gibt Dutzende Materien, die wir gemeinsam beschlossen haben, weil wir uns hier eingebracht haben, weil wir unsere Ideen eingebracht haben und weil Sie zufälligerweise, aus welchen Gründen auch immer, bereit waren, das aufzunehmen, sodass wir es gemeinsam beschließen konn­ten.

Manchmal ist Ihnen das Wasser bis zum Hals gestanden (Abg. Dr. Fekter: Nein, das ist bei Ihnen mit dem ÖGB! – Abg. Scheibner: Oder mit der BAWAG!), aber wir haben im Interesse Österreichs, wenn es möglich war, auch einen Konsens gesucht, weil für uns Österreich wichtiger ist, nicht die ÖVP, die Ihnen wichtiger ist als Österreich, sondern weil uns Österreich wichtiger ist.

Oder es hat sicherlich mal öffentlichen Druck bei einzelnen Materien gegeben, sodass Sie förmlich gezwungen waren, auf Konsens zu gehen. Wir haben uns immer als konstruktive Opposition verstanden, die aber in Verantwortung für Österreich bereit war, hier auch so manches gemeinsam mitzutragen. Das war im Sicherheitsbereich, im Sozialbereich, im Sport, bei Wirtschaft und Schule. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ja, aber trotzdem.

Wissen Sie, Herr Bundeskanzler, Sie hätten Ihre Rede heute besser (Abg. Lentsch: Nein, nein, das geht nicht!), glaubwürdiger halten können. Sie hätten sagen sollen: Das und das ist mir gelungen, aber ich sage ehrlich, im universitären Bereich haben wir zu wenig Geld zur Verfügung gestellt, da haben wir die Demokratie abgebaut. (Abg. Dr. Fekter: Wer hat Demokratie abgebaut? )

Ja, mir ist das und das gelungen, aber Hand aufs Herz, wir haben leider doch bei den Pensionisten in die Taschen gegriffen. Wir haben das dann beim Konsum gespürt, und wir haben das dann beim Wachstum gespürt.

Ja, uns ist manches gelungen, aber aus ideologischen- und Werbegaggründen haben wir in Kauf genommen, dass die Arbeitslosigkeit gestiegen ist. Das Nulldefizit, das war nur etwas Religiöses, einmal mit Manipulationen haben wir es erreicht und jetzt nimmer mehr. Das ist uns nicht gelungen.

So könnte man die Liste fortsetzen: Ja, wir haben uns bemüht im Gesundheitsbereich, aber letztlich haben wir aus ideologischen Gründen vielleicht doch die Meinung vertreten, eine Zwei-Klassen-Medizin ist finanzierbarer und daher besser.

Ja, wir wollen mehr Privat im Pensionsbereich, im Sozialbereich, weil wir einfach überhaupt mehr Privat wollen, weil uns einfach eine Zweidrittelgesellschaft, ein bisschen eine Ellbogengesellschaft gar nicht so stört.

Ja, wir sind für Eliten, aber für soziale Eliten. Wir sagen, die, die oben sind, sollen oben bleiben, und die, die unten sind, sollen unten bleiben. Chancengleichheit, das mögen wir nicht, das hat der Kreisky erfunden, das ist nicht unseres.

Wissen Sie, so ein bisschen Selbstkritik wäre angebracht, aber bei Ihnen hört man so heraus, dass Sie der Meinung sind, der beste Kanzler aller Zeiten zu sein. Und über­haupt. Österreich hat – was für ein Glück – seit 2 000 Jahren, seit Marc Aurel, endlich wieder einmal jemanden, der das Land führt. – Ungefähr so ist diese Geistes­haltung.

 


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