Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / Seite 133

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14.34.57

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Regierungsmitglieder! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss mich hier bei Kollegem Scheuch vom BZÖ bedanken. Sie waren jetzt der Erste aus den Regie­rungsfraktionen, der zugegeben hat, dass es 160 000 Leute, nämlich Frauen gibt, die in Armut leben. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Denen werden wir helfen!) Sie von den Regierungsparteien behaupten die ganze Zeit, dass das nicht stattfindet, dass Österreich super sei, dass es Österreich gut gehe. Sie, Herr Kollege Scheuch, waren der Erste, der jetzt zugegeben hat: Da gibt es ein Problem! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das werden wir lösen!) – Also, vielen Dank! (Beifall bei den Grünen.)

Was ja stimmt, ist, dass Österreich ein sehr reiches Land ist – das haben auch der Herr Bundeskanzler und Kollege Molterer heute wieder gesagt –, nämlich das viertreichste Land der EU, wahrscheinlich eines der reichsten Länder der Erde überhaupt. Wenn Sie aber sagen – und das ist offenbar einer Ihrer großen Wahl­kampfslogans, die da jetzt in den nächsten Wochen auf uns niederprasseln werden, bis sie uns bei den Ohren rauskommen –: Österreich geht es gut!, dann frage ich Sie schon, von welchem Österreich Sie denn reden. (Abg. Murauer: Austria!) Von dem, von dem der Herr Scheuch gerade gesprochen hat, von den 160 000 Frauen, Pen­sionistinnen, die eigentlich Pensionistinnen sein sollten, aber keine Pension erhalten? Reden Sie von den 500 000 Menschen, die in verfestigter Armut leben oder vielleicht von der 1 Million Menschen, die an der Armutsgrenze leben, also zumindest jetzt einmal als arm bezeichnet werden können?

Das Interessante ist ja, dass Sie in Ihrem Regierungsübereinkommen enthalten gehabt haben, dass Sie Alterspensionen für die, die bis jetzt keinen Anspruch hatten, nämlich diese 160 000 Frauen zum Beispiel, einführen wollen. Ja, was haben Sie denn gemacht? – Sie haben es nicht eingeführt, Sie haben das, was Sie in Ihrem eigenen Regierungsübereinkommen gehabt haben, nicht gemacht, weil es nämlich nicht Ihre Priorität ist, denen zu helfen, die wirklich arm sind! (Abg. Großruck: Pensions­begründend sind Kindererziehungszeiten!)

Sie sagen: Österreich geht es gut! Ich frage Sie: Von welchem Österreich reden Sie? Reden Sie von den zirka 15 000 bis 18 000 Schülerinnen und Schülern pro Jahrgang, die nicht ausreichend lesen können? Reden Sie von den MigrantInnen, die sich vor Abschiebung fürchten, oder reden Sie von den Betrieben, die im letzten Jahr insolvent geworden sind – über 3 000, davon 1 277 Einzelunternehmen? Ist das alles nicht Österreich, oder wie sehen Sie das, wenn Sie sagen: Österreich geht es gut! Wollen Sie behaupten, dass es denjenigen auch allen gut geht? Ganz offensichtlich besteht Österreich für Sie nur aus einem Teil – und für diesen Teil machen Sie Politik. Danke für dieses Bekenntnis. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie für den anderen Teil von Österreich, über den ich gerade geredet habe, auch Politik machen wollten, dann wäre zum Beispiel eine gute Möglichkeit, sich Gedanken über die Verteilung der Steuern zu machen. Sie springen auf das immer so an, wenn ich von den Steuern rede, weil das so ein tolles Thema ist. Ich finde, Sie sollten sich schon einmal überlegen, warum es in Österreich Hand in Hand geht, dass wir ein sehr niedriges Steueraufkommen zum Beispiel aus vermögensbezogenen Steuern haben und dass uns andauernd irgendwo Geld fehlt, wie Sie ja auch sagen – etwa im Bildungsbereich oder zum Schließen der Schere zwischen Arm und Reich. Da sagen Sie ja selbst: Es fehlt uns Geld. – Das ist ein Argument, das ich in den letzten vier Jahren – ich weiß nicht wie oft – gehört habe: Dafür gibt es kein Geld.

Warum – so frage ich Sie – machen Sie sich nicht einmal mit dem Gedanken vertraut, dass Österreich an drittletzter Stelle in der OECD und an letzter Stelle im EU-Bereich ist, was das Aufkommen der vermögensbezogenen Steuern betrifft? In Österreich liegt


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