Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / Seite 141

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erbrachten Leistungen meine Reverenz zu erweisen. (Demonstrativer Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

Österreich hat sich damit einer materiellen und rechtlichen Pflicht entledigt, die ethische und moralische Dimension des Mordes an 6 Millionen Juden ist jedoch gesetzlich und auch mit materieller Entschädigung nicht gutzumachen – mit materieller Entschädigung deshalb nicht, weil sich die Einzigartigkeit dieses Verbrechens jeglicher Kategorie des Denkens entzieht. Dazu kommt noch, dass jahrelang eine umfassende moralische, gesellschaftliche und kulturelle Rehabilitierung der Juden und anderer politisch Verfolgter unterblieben ist.

Schwerer als diese materiell-technische Seite wiegt daher die geistige Auseinandersetzung, weil es in vielen Teilen Europas eine Kontinuität xenophoben und rassistischen Denkens gibt, weshalb ich der Meinung bin, dass nur kritische Selbstreflexion die Möglichkeit beziehungsweise die Chance bietet, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.

Drittens: Zu dieser Reflexionsarbeit habe auch ich versucht, einen bescheidenen Beitrag zu leisten, und ich sehe mit nicht geringer Genugtuung, dass nach den Höhen­flügen rassistischer Semantik in den neunziger Jahren, dem Ausländer-Volksbegehren und politischer Mobilisierung mit aggressiver Rhetorik die Euphorie populistischer Bewegungen und die grandiosen Wahlerfolge einer breiten Ernüchterung gewichen sind.

Selbstverständlich ist niemand vor Irrtümern gefeit, auch unsere eigene Partei nicht, auch ich persönlich habe die Wahrheit nicht gepachtet, und niemand ist vor popu­listischen Vereinfachungen und platter Rhetorik sicher. Die Wahrheit ist nicht immer angenehm, aber man soll es sich nicht zu leicht machen, auch wenn es einen das Mandat kosten kann, wenn man konsequente, kritische und unangenehme Positionen vertritt. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das führt bisweilen auch in der eigenen Partei zu Problemen, dazu, dass man sich manchmal ziemlich alleine fühlt, dass man alleine dasteht, wenn neue Sprach­regelun­gen und Kommunikationsstrategien greifen. Dennoch ist es, glaube ich, notwendig, sich zu wehren, wenn emanzipatorische Positionen zugunsten machtpolitischer Kalküle und vordergründiger Berechnungen aufgegeben werden, manchmal schon, um die eigene Tradition zu wahren, die Tradition Kreiskys etwa, der selbst vor den Nazis geflüchtet ist und in Kopenhagen um politisches Asyl ersucht hat, wozu man auch sagen muss, dass niemand gerne seine Heimat verlässt und sich von seiner Familie und seinen Freunden trennt, aber auch im Lichte der Tradition österreichischer Hilfsorganisationen, wie etwa Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz, Volkshilfe und so weiter. Deshalb bedauere ich sehr, dass sich mit dem Fremdenrechtspaket 2005 die Grundlagen für Asylverfahren verschlechtert haben, dass die Schubhaft verlängert wurde und auch vermehrt eingesetzt wird, wobei die Bedingungen – schauen Sie sich das an! – manchmal schlechter sind als in der Strafhaft (Abg. Dr. Partik-Pablé: Geh, bitte!), für Menschen, die gegen kein Gesetz verstoßen haben, außer vielleicht illegal im Land aufhältig zu sein.

Dass die Zwangsernährung legistisch durchgeführt wurde und mittels Durchführungs­erlass nachdrücklich geregelt wurde, vielleicht nur deshalb, um präventiv abzuschrecken, aber immerhin im Notfall anwendbar, dass die Bedingungen für Traumatisierte vermehrt wurden, dass die polizeilichen Befugnisse vermehrt wurden, dass neue Strafbestände eingeführt wurden: Das alles ist nicht nach meinem Ge­schmack, das muss ich ganz ehrlich sagen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

 


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