Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll21. Sitzung / Seite 440

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Die Eltern sind in dieser Phase in einem relativen Stress – das weiß ich aus eigener Erfahrung –, wenn sie für ihr fünfjähriges Kind plötzlich in offener Abstimmung in Gegenwart der Direktorin und der Lehrer über Schulversuche abstimmen müssen, über die sie kaum informiert sind.

Das wird dann Mitbestimmung über Schulversuche genannt, was oft nur zum Zweck der Lehreranstellungspolitik betrieben wird. Man lässt dabei oft außer Acht, dass die Kinder im Zentrum des Augenmerks stehen müssen.

Wir haben Probleme im Schulbereich, das ist keine Frage, aber diese sind zum Teil regional unterschiedlich, in Bezug auf die Schulausstattung und vieles andere mehr unterschiedlich. Die beiden Ressourcen Kinder und Lehrer, wenn man das so sagen kann, sind grundsätzlich in Ordnung, aber wir machen daraus nichts oder zu wenig.

Wir Politiker haben einige Thesen – aber wie können wir die Rahmenbedingungen für Kinder, Lehrer und Eltern wirklich verbessern, und wie können wir mit der Zeitres­source unserer Kinder und Jugendlichen besser umgehen? Wie schaffen wir das? Welche Rahmenbedingungen schaffen wir hiezu?

Es muss Angebote auf freiwilliger Basis geben, es dürfen keine Zwangsangebote sein, wie es in den einzelnen ideologisierten Programmen der Fall ist. Als Freiheitliche Partei lehnen wir eine Gesamtschule ab, wobei wir sagen, dass man über Angebote in Richtung Ganztagsschule, Kinderbetreuung und Ähnliches nachdenken muss. Die Zeiten haben sich geändert und mit ihnen die Herausforderungen. Wir stehen in Öster­reich – und nahezu in ganz Europa – vor dem riesigen Problem des strukturellen An­alphabetismus, der in diesem Land 700 000 Menschen betrifft. Was heißt struktureller Analphabetismus? – Das ist, wenn Menschen nicht in der Lage sind, in zusam­menhängenden Sequenzen zu denken, zum Beispiel – um es zu verbildlichen – einer Radionachrichtensendung zu folgen. Das ist ein Problem, das wir nicht nur in der Grundschule, sondern im Bereich des lebenslangen Lernens zu erledigen haben. Wir bilden Kinder für Berufe aus, die es in fünf, zehn oder fünfzehn Jahren vielleicht gar nicht mehr gibt. In diesen Bereichen müssen wir uns umstellen.

Sprachprobleme sind in Österreich nicht nur bei Kindern mit nichtdeutscher Mutter­sprache gegeben – speziell in den Ballungsbereichen gibt es da gesonderte Prob­leme –, sondern oftmals auch bei Kindern mit deutscher Muttersprache zu bemerken. Die Kinder werden sehr oft alleine gelassen, was oft mit der Einkommenssituation der Eltern zu tun hat. Die Kinder sitzen vor den Computern, spielen nicht mehr, haben spielen nicht gelernt und sind im Wesentlichen keine Kinder mehr, wie wir sie uns idealtypisch vorstellen. Da müssen wir ansetzen! Unsere Debatte um eine Gesamt­schule oder um eine gemeinsame Schule oder um eine Ganztagsschule oder Ähn­liches wird an diesen Problemen nichts ändern. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich glaube, wir müssen substanziell beginnen, unseren Kindern Werte wie Leistung zu vermitteln. Wie mache ich Leistung messbar? – Ich kenne kein fünfjähriges Kind, das in die Schule geht und sich nicht voller Zuversicht, Freude und Sympathie für die Schule in seiner Leistung messen möchte. Doch dann wird das wirklich nicht geboten. Ich glaube, Werte wie Verantwortungsbewusstsein, Pflichtbewusstsein, Disziplin und Ähnliches haben im heutigen Schulsystem einen zu geringen Stellenwert. Und es ist keine Frage des Geldes. Die Frage lautet oft: Wie stärken wir den Lehrern, die unsere Kinder miterziehen, den Rücken, damit sie für unsere Kinder etwas Besseres beitragen können?

Frau Ministerin, ich weiß – und das ist heute schon vom Kollegen Niederwieser gesagt worden –, man braucht in der Bildungsdiskussion Zeit; nicht nur in der Diskussion, sondern auch in der Umstellung.

 


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