Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll30. Sitzung / Seite 118

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rungskonferenz nicht dafür eingetreten sind, für ein Prinzip, das wir eigentlich in der Debatte zur Erstellung des Verfassungsvertrags-Entwurfs vertreten haben. Herr Bun­deskanzler, ich konnte überhaupt nicht feststellen, wofür Sie auf Brüsseler Ebene ein­getreten sind, welche Interessen österreichischerseits Sie dort wirklich durchsetzen wollen. Das war nicht herauszuhören und nicht zu erkennen.

Deshalb, meine Damen und Herren, sind wir Freiheitlichen auch so erpicht darauf, dass dieser neue Verfassungsvertrag einer Volksabstimmung unterzogen wird. Und wenn Sie, Frau Außenminister, sich auf den Beschluss des Nationalrates aus 2005 be­ziehen und diesen Beschluss als einen Auftrag empfinden, dann muss ich Ihnen sa­gen: Dieser Auftrag ist hiermit erloschen, weil dieser Verfassungsvertrags-Entwurf ge­scheitert ist und wir in einem neuen Ratifizierungsvorgang stehen!

Das enthalten ja auch die Schlussfolgerungen dieser Regierungskonferenz ganz deut­lich. Es beginnt jetzt eine neue Regierungskonferenz mit einem neuen Ratifizierungs­vorgang, und, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, wir Freiheitlichen erwarten, dass Sie in diesem Ratifizierungsvorgang österreichische Interessen ver­treten! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie stellen sich hier her, Herr Bundeskanzler, und tun so, als wäre es so schön gewe­sen, diese Kompromisse einzugehen, und als wäre es so wunderbar gewesen, hier Ab­striche zu machen und dort Abstriche zu machen. Ich darf einen unabhängigen Jour­nalisten – keinen „bösen“ Freiheitlichen, sondern einen unabhängigen Journalisten! – der Zeitschrift „Der Spiegel“ zitieren:

Der Kompromiss sei so kompliziert – schreibt er über das, was Sie beschlossen ha­ben –, dass ihn allenfalls Fachleute verstehen können. Die neue Regelung über die Stimmverteilung tritt 2014 in Kraft, aber die alte gilt bis 2017. Die Grundrechte gelten für alle Europäer, aber nicht vor britischen Gerichten. Der neue Außenminister soll zwar einer sein, darf aber nicht so heißen. Es sind Sätze, die nicht den Geist Europas atmen, sondern allenfalls den Geist der Notwendigkeit. – Zitatende.

Und so etwas verteidigen Sie hier, Herr Bundeskanzler!

Ich darf Sie auch an Ihre Versprechen vor der Wahl erinnern. In zwei Bereichen, Herr Bundeskanzler, haben Sie vor den Wahlen für die SPÖ eine klare Position bezogen:

Erstens: Sie werden dafür eintreten, dass es zu keinem Vollbeitritt der Türkei zur Euro­päischen Union kommt. – Ich sehe überhaupt keine Maßnahmen von Ihrer Seite, dass das auch auf europäischer Ebene umgesetzt werden sollte. Sie hätten die Gelegenheit gehabt, das in mehreren Räten, an denen Sie bisher teilgenommen haben, umzuset­zen.

Herr Bundeskanzler Gusenbauer, Sie haben sich auch dafür eingesetzt, dass es zu­mindest zu einer europaweiten Volksabstimmung über eine neue Vertragssituation kommen sollte. Dass Sie das nicht allein durchsetzen können, ist mir schon klar, aber Sie hätten die Möglichkeit, diese europäische Scharte auf österreichischer Ebene aus­zuwetzen, indem Sie eine nationale Volksabstimmung über diesen neuen Verfas­sungsvertrag, zu dem es kommen wird, ansetzen.

Herr Bundeskanzler, ich fordere Sie namens des Nationalrates auf, Ihre Versprechun­gen, die Sie als SPÖ-Fraktionsvorsitzender in der Opposition gemacht haben, auch als Regierungschef umzusetzen. Das ist ganz wichtig für den Nationalrat, weil die europäi­schen Räte jene Ebene sind, in der die nationalen Parlamente, in der die Volksvertre­tungen sich auch auf europäischer Ebene effizient einbringen können.

Aber was Sie an Kompromiss mitgebracht haben, ist in keiner Weise ein Mehr an Bür­gernähe und auch in keiner Weise ein Mehr an Bürgerbeteilung, wie Sie es eigentlich


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