Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung / Seite 242

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18.34.22

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich freue mich ja, wenn sich meine beiden VorrednerInnen so wortreich zum Kampf gegen die Schlepperei und zur Unterstützung für die von Schlepperei betroffenen Menschen bekennen. Nur, ich frage mich dann schon: Warum schlagen Sie einen Erfüllungsvorbehalt für dieses Zusatzprotokoll vor? Wenn Sie doch ohnehin alles umsetzen wollen, was drinnen steht, warum dann ein Erfüllungsvorbehalt, der wieder dazu führen wird, dass wir bei der Umsetzung in den Stillstand geraten, und das ganz schnell? Das ist eine Unsitte der österreichischen Politkultur, mit der endlich einmal Schluss gemacht werden sollte.

Das Zweite, was ich spannend finde an diesem Zusatzprotokoll, ist, dass wir zwar eine Argumentation vorgelegt bekommen, dass es schon längstens umgesetzt ist, mit all jenen Punkten, die wir in Österreich, insbesondere im Fremdenrecht schon geregelt haben, dass es aber einen krassen Widerspruch gibt zwischen dem Artikel 6 Abs. 1 lit. c des Zusatzprotokolls und dem Fremdenpolizeigesetz im § 115 Abs. 1.

Worum geht es? – Stellen Sie sich vor: Sie sind zu Hause. An der Tür klopft die Polizei, weil Ihr Ehepartner gesucht wird wegen, sagen wir, schweren Diebstahls oder fahr­lässiger Tötung oder so, und Sie sagen: Nein, er ist nicht da!, obwohl er sich im Kabinett versteckt. Können Sie vor Gericht dafür belangt werden? – Nein, können Sie nicht, denn Sie unterstehen schließlich dem Angehörigenprivileg, und es ist kein unmittelbarer Angehöriger dazu aufgefordert, sozusagen den eigenen Ehepartner, die Ehepartnerin zu vernadern.

Selbe Situation: Sie sind zu Hause. An der Tür läutet diesmal die Fremdenpolizei und fragt, wo denn Ihr Ehemann sei, er hätte keinen legalen Aufenthaltstitel. Er versteckt sich im Kabinett, und Sie sagen, Sie wüssten nicht, wo er sei. Können Sie belangt werden vor Gericht? – Ja, und das ist auch so geschehen. Eine Frau, die in genau dieser Situation steckte, wurde zu zwei Monaten bedingt verurteilt, weil sie nicht bereit war, ihren eigenen Mann an die Fremdenpolizei auszuliefern. Das wird im Fremden­polizeigesetz mit der Begünstigung des illegalen Aufenthalts begründet. Das ist im Übrigen vollkommen gleichheitswidrig, wenn ich das im sonstigen Strafrecht mit dem Angehörigenprivileg anders geregelt habe, und es steht vor allem im Widerspruch zum Zusatzprotokoll, in dem nämlich drinnen steht, dass so etwas nur dann strafrechtlich belangbar oder gerichtlich verfolgbar ist, wenn daraus ein materieller, ein finanzieller Vorteil entsteht.

Nur dann also, wenn ich mit Gewinnabsicht einen Menschen verstecke, dann kann mir das zum Vorwurf gemacht werden, aber nicht dann, wenn es mein eigener Ehepartner oder ein direkter Verwandter ist. Wir haben also im österreichischen Fremden­polizei­gesetz eine vollkommen überschießende Regelung, die im Widerspruch steht zu dem Zusatzprotokoll, das wir heute hier beschließen. Und um das zu korrigieren, darf ich einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Weinzinger, Freundinnen und Freunde betreffend den Denunziationsparagraphen im Fremdenrecht einbringen, den ich inhaltlich eben erläutert habe.

Der Antrag lautet:

Entschließungsantrag

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Korrektur des bestehen­den § 115 Abs. 1 FPG (Fremdenpolizeigesetz 2005) zuzuleiten, die eine gerichtliche Strafbarkeit nur bei Vorliegen eines auf Erlangung eines finanziellen Vorteils gerich-


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