Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 149

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sie Opfer von Straftaten werden, einen Anspruch auf den vollen Schutz durch den Staat, auf eine angemessene Reaktion des Staates auf die erlittene Gewalt und damit auf den Einsatz des Strafrechts haben. Für das Kind als Opfer ist eine solche Reaktion des Staates eine ganz wichtige Unterstützung dabei, langfristig mit der Gewalt­erfahrung zurande zu kommen.

Ich darf Ihnen nun einige Maßnahmen vorstellen. Zum Strafverfahrensrecht erscheint es mir ganz besonders wichtig, einige Verbesserungen durchzuführen. Zu überlegen ist insbesondere eine einheitliche und striktere Anzeigepflicht aller mit Kindern befassten Berufe und Einrichtungen wie Jugendämter, Schulen, Kindergärten, Gesund­heitsverwaltung und Sportvereine. Nach der derzeitigen Rechtslage besteht eine strikte Anzeigepflicht nur für die Sicherheitsbehörden. Die meisten anderen regelmäßig mit Kindern konfrontierten Behörden und Berufsgruppen trifft, wenn überhaupt, nur eine begrenzte Anzeigepflicht.

Die allgemeine Regelung der Strafprozessordnung in § 84 StPO sieht derzeit vor, dass eine Anzeigepflicht für Behörden dann besteht, wenn ihnen der Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden Straftat bekannt wird, die ihren gesetzmäßigen Wirkungs­kreis betrifft. Diese Anzeigepflicht richtet sich an Behörden und öffentliche Dienst­stellen, die von ihren Leitern repräsentiert werden und welche die Anzeige für die Behörde zu erstatten haben.

Das Problem besteht darin, dass die Anzeigepflicht auf den gesetzmäßigen Wir­kungsbereich beschränkt ist, somit auf den Bereich der Gerichtsbarkeit und der Hoheits­verwaltung. Im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung besteht damit keine Anzeigepflicht nach der Strafprozessordnung. Da die Jugendwohlfahrtsträger ganz überwiegend keine hoheitlichen Aufgaben erfüllen, trifft sie damit keine generelle Anzeigepflicht. (Abg. Strache: Aber dort müsste man ansetzen, Frau Justizministerin!) Sie brauchen eine Anzeige auch dann nicht zu erstatten, wenn durch sie eine amtliche Tätigkeit beeinträchtigt würde, die das persönliche Vertrauensverhältnis zum Beispiel eines Sozialarbeiters zu seinem Klienten beträfe. Allerdings gibt es auch hier wieder – und das ist ja schon ein Beweis für die Komplexität der Regel – die Ausnahme, dass die Anzeigepflicht dann generell ist, wenn sie notwendig ist, um weitere Gewalt zu verhindern.

Zahlreiche weitere gesetzliche Regelungen sehen beschränkte Anzeigepflichten vor, die nicht einheitlich sind. Es scheint mir geboten, diese Anzeigepflichten zu verein­heitlichen und auch strikter zu gestalten. Das fällt nicht alleine in meinen Zuständig­keitsbereich, sondern hier sind auch viele andere Ressorts betroffen und ich werde gerne diesbezüglich Kontakt aufnehmen.

Wichtig erscheint mir auch, dass wir uns beim Strafverfahren flexibel zeigen. In der ersten Phase der Intervention des Staates und auch des Strafrechts muss der Schutz des Kindes vor weiterer Gewalt das oberste Ziel sein. Es wird daher zu überlegen sein, eine Möglichkeit zu schaffen, mit dem Strafverfahren innezuhalten, soweit das erfor­derlich ist, um das Opfer vor Überforderung zu schützen. Im Rahmen des Strafver­fahrens würden dann zunächst nur jene Maßnahmen gesetzt, die das Opfer vor weiteren Misshandlungen schützen sollen. Der Staatsanwalt könnte daher künftig die Möglichkeit haben, unter gerichtlicher Kontrolle zunächst nur dringend notwendige Beweisaufnahmen durchzuführen – zum Beispiel, in einem konkreten Fall war das so, ein Au-pair-Mädchen als Zeugin einzuvernehmen, noch bevor es wieder das Land verlässt – oder alle Maßnahmen zu setzen, die zur Kontrolle des Verdächtigen und zur Sicherung des Opfers notwendig sind. Es sollte auch da schon möglich sein, wenn der Verdächtige geständig ist, durch sozialtherapeutische Weisungen, Anti-Gewalt-Trai­nings et cetera sofort anzusetzen.

 


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