Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 178

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

eingreifen zu können, also Gewalt- und Sexualstraftaten überhaupt zu verhindern, Ver­urteilte im Strafvollzug oder in der therapeutischen Behandlung richtig anzupacken und – ganz wichtig – das Rückfallrisiko zu senken. Die ,Zürcher Forensik-Studie‘ ist ein Schritt von vielen auf diesem Weg, die Ziele sind ambitiös, und Frank Urbaniok weist zu Recht darauf hin, dass es ein Nullrisiko im Umgang mit Gewalttätern nie geben wird. Einmalig an seiner neusten wissenschaftlichen Untersuchung ist die gezielte Ein­grenzung des Personenkreises. Es wurden nicht, wie sonst üblich, sämtliche Gefäng­nisinsassen oder eine gewisse Anzahl von gerichtspsychiatrischen Gutachten beleuch­tet, sondern 469 Erwachsene, inner- oder außerhalb von Anstalten, die im August 2000 beim Amt für Justizvollzug in irgendeiner Form registriert waren. Zu den über­raschenden Studienergebnissen gehört ein Befund in Bezug auf die Ausbildung der Gewalt- und Sexualtäter: Die Autorinnen und Autoren stellen fest, das Ausbildungs­niveau der Untersuchten entspreche ziemlich exakt jenem der durchschnittlichen Bevölkerung in der Schweiz; eine schlechte Ausbildung müsse demzufolge nicht als besonderer Risikofaktor gewürdigt werden

3. Amerikanische Psychologen untersuchten 155 Strafgefangene, die wegen ver­schiedener Kinderpornographie-Delikte einsitzen. Die noch unveröffentlichte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Männer, die Kinderpornographie konsumieren, zu 85% auch tatsächlich Kinder sexuell missbrauchen.

Die Studie wurde an 155 Strafgefangenen durchgeführt. Alle sitzen wegen Kinder­pornographie ein und alle nehmen freiwillig an einer Therapie teil. Alle haben freiwillig und vollständig anonymisiert Fragebögen ausgefüllt, in denen unter anderem danach gefragt wurde, ob sie schon einmal ein Kind sexuell missbraucht haben und in welcher Form.

Die Ergebnisse sind so erschreckend, dass das Bureau of Prison (die für das Gefäng­nis zuständige Behörde) versucht die vollständige Veröffentlichung der Ergebnisse zu verhindern. Demnach haben 85% aller Befragten zugegeben, bereits ein Kind tat­sächlich missbraucht zu haben, angefangen von unangebrachten Berührungen bis hin zur Vergewaltigung. Vor dieser Befragung waren Missbrauchshandlungen nur von 26% der Gefangenen bekannt.

Aus den bislang bekannten 75 Opfern kamen durch die Fragebögen 1.777 Opfer ans Tageslicht.

Bisherige Studien gingen davon aus, dass „nur“ ca. 30% der Kinderpornographie- Konsumenten auch tatsächlich Kinder missbrauchen.

Die Forscher dieser Studie, Michael Bourke und Andres Hernandez, sind der Auffas­sung, dass die ermittelten Zahlen Abweichungen aufweisen können zwischen Tätern, die Hilfe suchen, und Tätern, die keine Therapieangebote annehmen.

Auch wenn die Studie und das vorhandene Zahlenmaterial Spielraum für Inter­pre­tationen lässt, stellt sie zumindest ganz klar den Zusammenhang zwischen dem Kon­sum von Kinderpornographie und dem sexuellen Missbrauch von Kindern durch ebendiese Konsumenten her.

Ähnliche Studien gibt es in Österreich noch nicht. Auf Grund der hohen Rückfallquoten und der Gefahr, die von Sexualstraftätern ausgeht, ist es unerlässlich, dass auch in Österreich wissenschaftlich fundiertes Datenmaterial gesammelt und ausgewertet wird.

Diese neuen Erkenntnisse müssen umgehend auch in die gutachterliche Tätigkeit von Sachverständigen einfließen. Es müssen diesbezüglich Vorkehrungen getroffen wer­den, die in Fällen von eklatanten Fehlbeurteilungen des Rückfallrisikos das Streichen des Gutachters von der Gerichtssachverständigenliste vorsehen.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite