Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung / Seite 119

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verfügt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemelde­ten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Ich erteile es ihm hiemit.

 


17.07.55

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor einem Monat haben nicht nur wir erfahren, welche Vorwürfe Herr Dr. Haidinger – wie wir inzwischen wissen: gut begründet – gegen drei Ressortführungen und drei Kabinet­te, im Bundesministerium für Inneres, aber auch gegen Kabinette in anderen Bundes­ministerien, erhebt. In diesem Monat hat es immer mehr Fragen gegeben – und es hat verschiedene Vorschläge gegeben, diese Fragen zu beantworten. Der Innenminister hat eine Evaluierungskommission – zu Beginn nur aus drei Beamten seines Ressorts bestehend – eingesetzt.

Ein ganz entscheidender Punkt, über den das Parlament auch heute befinden muss, ist: Darf sich ein Minister, der im politischen Sinn – nicht nur in diesem Haus – eigent­lich den Status zumindest eines Verdächtigen hat, seine Untersuchungsbehörden und seinen Richter selbst aussuchen?

Darf ein Minister selbst bestimmen, wer über mögliche sachliche, rechtliche und poli­tische Verfehlungen untersucht?

Darf ein Minister weisungsgebundene Beamte beauftragen und sagen: Herr Sektions­chef, Herr Leiter des Landeskriminalamts Oberösterreich, hiermit beauftrage ich euch, in aller Schärfe mögliche Verfehlungen eures Vorgesetzten zu untersuchen und dann eurem Vorgesetzten zu berichten, damit euer Vorgesetzter entscheiden kann, was er gegen euren Vorgesetzten unternimmt!?

Ist das eine Untersuchung, wie diese Republik sie verdient? Wenn das eine Untersu­chung ist, dann ist das eine Untersuchung, wie die ÖVP sie sich vorstellt.

Nach öffentlichem Druck musste der Innenminister, musste die ÖVP dieser Kommis­sion auch Experten und Verfassungsjuristen beiziehen, die dem Innenminister nicht weisungsgebunden sind. Sie haben einen sehr beschränkten Untersuchungsauftrag: Sie sollen eine kriminalpolizeiliche Evaluierung im Fall Kampusch mit eineinhalb Jah­ren Verspätung nachholen, und sie sollen möglicherweise – und damit begeben sie sich, zumindest die Beamten, in einen gefährlichen Bereich – über die politische und sachliche Verantwortung des Ministers urteilen. (Abg. Mag. Kukacka: Sie beugen schon vor!) Ob sie das können, das werden wir sehen, wenn der Bericht vorliegt. Aber eines können sie mit Sicherheit nicht: unter Vorlage aller Akten, unter Zeugenpflicht, mit Ladungslisten und mit den Mitteln der Strafprozessordnung genaue Befragungen durchführen, bei denen diejenigen, die die Antworten geben, sich genau überlegen müssen, ob es Sinn macht und ob es sich auszahlt, falsche oder keine Antworten zu geben.

Nicht zu Unrecht und aus guten Gründen hat das Parlament neben den Gerichten die einzigen scharfen Instrumente, um für Aufklärung zu sorgen; die Gerichte, um zu über­prüfen, ob ein Tatbild nach dem Strafgesetzbuch erfüllt ist, das Parlament, um nachzu­sehen – mit denselben Mitteln und denselben Regeln –, ob ein politisch inakzeptables und ein der Verwaltung und den Gesetzen der Verwaltung nicht entsprechendes Ver­halten vorliegt. Und es ist einzig und allein der österreichische Nationalrat, der dieses Recht hat. Der Gesetzgeber hat sich dabei etwas überlegt.

Es gibt also den Verfassungsgesetzgeber, der sich etwas überlegt hat, und einen Klub­obmann von der ÖVP, der sich etwas anderes überlegt, der es nicht mehr gewohnt ist,


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