Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll56. Sitzung / Seite 104

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die politische Moralität, diesen Faktor ganz besonders herauszustreichen, so, dass er eine tolle Position hat, wenn er sich in ein historisches „Hätti, wäri, wari“ hineinversetzt, bei der dann übrig bleibt, dass man natürlich, wäre man damals in dieser Situation gewesen, alles anders gemacht hätte und all das, was stattgefunden hat, niemals hätte stattfinden können, wäre die Welt damals nur von jenen Individuen belebt gewesen, die heute hier existent sind. Das ist ein bisschen so die Grundeinstellung, die da durch­kommt. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Vielleicht regen Sie sich darüber auf, weil ich Ihnen ein Zitat von einem Herrn Herder mitgebracht habe, der Ihnen wahrscheinlich schon deswegen verdächtig ist, weil er irgendwo im Umfeld des deutschen Idealismus angesiedelt ist. Aber ich sage es Ihnen trotzdem, weil es ein sehr schönes Zitat ist, was die Funktion von Moral oder das Zusammenspiel von Moral, Mensch und Politik betrifft. Dieser Herder hat gesagt:

Der Politik ist der Mensch ein Mittel. Der Moral – und Sie stellen ja einen hohen moralischen Anspruch in der Begründung – ist der Mensch der Zweck. – Zitatende.

Jetzt können wir darüber diskutieren. Ich bin der Meinung, dass mit dem Antrag, den Sie stellen, der erste Teil des Herder-Zitats getroffen ist: Der Politik ist der Mensch ein Mittel.

Ich gehe davon aus, dass die Argumentation, die wir führen, den zweiten Teil bedient, nämlich dass wir hier einen Moralbegriff zur Anwendung bringen – und ich werde Ihnen diesen gleich noch ein bisschen entfalten –, bei dem der Mensch der Zweck ist und nicht das Mittel.

Meine Damen und Herren! Es ist unmöglich, in der Vergangenheit moralisch zu handeln. Ich brauche Ihnen nicht zu erklären, dass das dem Handlungsbegriff insge­samt widerspricht, sondern man kann konsequenterweise auch nicht einen politisch-moralischen Anspruch für sein Handeln erheben, wenn man solche Ideen vertritt, wie Sie es in diesem Antrag tun.

Ich bin wirklich weit davon entfernt, mich hier zum Verteidiger der Waffen-SS machen zu wollen. Das liegt mir absolut fern, das ist überhaupt nicht meine Intention. Aber ich bin als Freiheitlicher auch weit davon entfernt, mich nur eine Sekunde lang irgendeiner Überlegung anzuschließen, die im Kern ja im Grunde genommen überhaupt nichts anderes aussagt, als dass man eine Wiederaufnahme einer Kollektivschuld hervor­zaubert – nichts anderes ist es! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Amon.)

Diesmal betrifft die Kollektivschuld nicht ein ganzes Volk, sondern Sie haben etwas redimensioniert und haben sich halt die Waffen-SS als Kollektiv ausgesucht. Und ich meine, meine Damen und Herren, dass die Annahme genauso absurd wäre, hier von einer kollektiven Schuld auszugehen, wie es umgekehrt völlig absurd wäre, von einer kollektiven Unschuld auszugehen. Da werden Sie mir ja hoffentlich zustimmen. Da erwarte ich mir auch einmal einen Applaus von der grünen Seite. Kommt keiner? – Ich hoffe, Sie stimmen dem trotzdem zu. (Abg. Dr. Graf: Jetzt geht der Öllinger!)

Meine Damen und Herren! An einem Faktum ist nichts herumzudeuteln: dass der Begriff der Handlung, dass der Begriff der Schuld und damit des Gewissens sozusagen der innerste Punkt der Individualität des Individuums und der Persönlichkeit ist. Das ist Individualität pur! Und das hat auch Eingang in unser Rechtssystem gefunden. Es ist ja auch im Strafgesetz so, dass es keine Strafe ohne Schuld gibt und die Schuld natürlich das schuldhafte Verhalten eines Einzelnen voraussetzt.

Ich habe Herrn Öllinger und Ihnen noch ein Zitat mitgebracht, diesmal nicht von einem Rechten, sondern von jemandem, den man als Linkshegelianer bezeichnet, von Kierkegaard. Sehr schön hat er das gesagt: Die Masse hat keine Hände. – Zitatende.

 


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