Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll61. Sitzung / Seite 162

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Mit derselben Mentalität wurden zum Beispiel auch Barockfassaden abgeschlagen. Ein interessanter Hinweis für Leute, die zu jung sind, um es präsent zu haben: Die schöne barocke „Rauchfangkehrerkirche“ ist im Jahr 1962 deswegen weggerissen worden, weil man damals geglaubt hat, man muss mit der Linie 62 unter die Erde einfahren – ein Wahnsinn aus heutiger Sicht! Aber man sieht, dass gewisse Intentionen lang­lebigen Charakters sind.

Es schreibt dieser Meinungsgeber noch weiter: Einer Bildungspolitikerin ist nicht nur der völlig geschmacksunsichere Möbelmix, sondern auch der ahistorische Umgang mit diesem nun einmal traditionsreichen Interieur unwürdig. Innovativ, fortschrittlich und reformwillig ist etwas anderes als diese postmoderne Behübschung eines Barock­palais. – So also Volkes Stimme, und Volksvertreter sitzen in diesem Haus.

Nun zu Details Ihrer Anfragebeantwortung. – Es geht zum Beispiel um die Decken­skulptur von Hans Kupelwieser, die eine Leihgabe der Artothek des Bundes ist. Aber: Wann wurde dieses Werk tatsächlich angekauft und aus welchen Gründen und zu welchem Preis? Mit welcher Höhe also ist der Ankaufspreis dieser Deckenskulptur zu beziffern? Es liegt nämlich doch die Vermutung nahe, dass diese Deckenskulptur anlässlich einer Büroeinrichtung angekauft wurde und die Leihgabe über die Artothek lediglich eine Umgehungskonstruktion ist. Ich bitte also, die Zeitabläufe in diesem Zusammenhang näher darzustellen.

Dann: Wieso ist die Kostenaufstellung zu den Fragen 14 bis 16, die Sie auf Seite 3 darbieten, nur mit Nettopreisen angegeben? Es besteht ja wahrscheinlich doch Um­satzsteuerpflicht, und die Umsatzsteuer kann ja der Bund nicht herausrechnen. Die angegebenen Preise scheinen im Übrigen mit den marktüblichen Preisen weiterhin nicht im Einklang zu stehen. Zum Beispiel hatte der Proust Armchair von Alessandro Mendini im Jahr 2007 im Auktionshaus Quittenbaum in München einen Schätzwert von 45 000 €. 45 000 €! Sie schreiben: 9 421 €. Das kann nicht wirklich passen. Die Chaiselongue von Mies van der Rohe hat im Dorotheum einen Schätzwert von 6 500 bis 7 500 € und dergleichen mehr. Damals ist im „Standard“ hochgerechnet worden, dass man mit rund 150 000 € zu rechnen hätte, wenn man die Gesamtkosten der Erneuerung Ihres Büros in Anschlag bringen könnte.

Ferner haben Sie sich erlaubt, darauf zu verweisen, dass die Gelder, die, wie wir gemeint hätten, eventuell besser in der Schule oder in sozialen Brennpunkten investiert würden, nicht gegenzuverrechnen wären, dass das quasi politisch nicht angemessen oder nicht anständig wäre. „Notwendige Investitionen in die Büro-Infrastruktur des Ministeriums können nicht mit notwendigen Investitionen in die heimischen Schulen in Verbindung gebracht werden.“ – So steht es in Ihrer Beantwortung. Und weiter heißt es da: „Vor allem da die Kosten für die Sanierung des Ministerbüros mit rund 0,0001 % des Bildungsbudgets zu beziffern sind.“

Da frage ich: Warum darf man das nicht in Beziehung setzen? Das Budget für die Bildung, für Ihr Ministerium, ist ein Budget. Daraus sind Bildungsmaßnahmen, aber auch Aufwendungen für das Büro zu finanzieren. Das ist unter einer Budgetpost zu sehen. Ich sehe nicht ein, warum man Lehrereinsparungen debattieren muss und Klas­senschülerhöchstzahlen ein Problem darstellen, wenn andererseits derartige Aufwen­dungen zur Debatte stehen.

Zusammengefasst: Ich gebe schon zu, dass mit diesem Thema die Republik nicht in rasende Aufregung zu versetzen ist, aber 100 000, 150 000 € ist der Durchschnitts­verdienst von zwei nicht schlecht verdienenden Familien. Es ist, gelinde gesagt, unpassend und politisch unangenehm zu vernehmen und jedenfalls diskussionswürdig, das Ganze damit erklärt zu bekommen, dass die „Herrschaftssymbolik“ so unerträglich ist, dass man es auf Barockstühlen nicht aushalten kann.

 


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