Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll65. Sitzung / Seite 51

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Meine Damen und Herren, das sind schon große Unterschiede! Und damit bin ich auch schon beim Punkt: Herr Staatssekretär Schieder, bei allem Verständnis, aber: Sie sind in einem neuen Amt, Sie müssten eigentlich die Regierungslinie vertreten – und nicht die SPÖ-Linie! Das ist ein Grundsatz, den jedes Regierungsmitglied einzuhalten hätte. (Beifall bei der ÖVP.)

Und Sie, Herr Klubobmann Cap, müssen auch eines einsehen: Die große Diskussion in Österreich ist ja, dass der Herr Bundeskanzler sowie der designierte Vorsitzende der SPÖ einen neuen Weg eingeschlagen haben – mit einem bestimmten Kalkül, wobei dies schon sehr hinterfragenswert ist. Ihr Weg war ja, nicht eine Diskussion in der Bun­desregierung zu starten, nicht mit dem Herrn Bundespräsidenten zu diskutieren, nicht ins Parlament zu kommen, um eine neue Linie in der Europapolitik vorzulegen, son­dern Ihr Weg war, dem Herausgeber einer Zeitung einen Brief zu schreiben – verbun­den mit dem Kalkül: Wenn man einschwenkt auf die Linie dieses Blattes, dann wird es zukünftig eine bessere Berichterstattung geben! Meine Damen und Herren von der SPÖ, beides äußerst bedenklich! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf das unterm Strich so zusammenfassen: Ein Bundeskanzler ist der Vorsitzende einer Regierung und einem verpflichtet, nämlich der Republik Österreich. Ein Bun­deskanzler hat daher die Interessen dieser Republik zu vertreten – und nicht Partei­interessen, meine Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP).

Ich weiß schon, da und dort wird beides vielleicht miteinander vermischt werden, aber diesen Grundsatz, meine Damen und Herren, haben vor allem wir Abgeordnete hier in diesem Hause immer wieder zu vertreten. Und diesen Grundsatz darf man nicht ver­lassen! Wer auf die Republik angelobt ist, als Bundeskanzler einer Regierung vorsteht, der hat dieser Republik zu dienen (Abg. Strache: Der Republik, aber nicht der EU-Kommission, Herr Präsident!) und damit keine Experimente, keine Bocksprünge zu machen, sondern diese Interessen ins Zentrum zu stellen. Das möchte ich noch einmal ausdrücklich namens meiner Fraktion festhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Dieses Ihr Kalkül, meine Damen und Herren von der SPÖ, kann auch nicht aufgehen, denn ein Bundeskanzler hat einen anderen Adressatenkreis als lediglich die Leser einer Zeitung. Wir sehen ja auch, dass dieser Adressatenkreis, und zwar weit über Ös­terreich hinaus, äußerst irritiert ist. Im internationalen Umfeld wird Österreich jetzt sozu­sagen mit einem Fragezeichen versehen; man kennt sich nicht mehr aus.

Und es kann doch auch nicht sein, dass man in Österreich eine Außen- und Europa­politik macht, wo es zwei völlig unterschiedliche Richtungen gibt. Darum bin ich wirklich entsetzt über diesen Ihren Weg – und eigentlich auch persönlich enttäuscht, weil ich das einem Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, der lange internationale Erfahrung hat, so nicht zugetraut hätte.

Lassen Sie mich nun zum Thema Volksabstimmung kommen, ein zu Recht wichtiges Thema. Jeder kann natürlich einen Vorschlag dafür einbringen, und jeder kann auch seine Liebe zu Volksabstimmungen entdecken, aber ich gebe schon zu bedenken: In Österreich hatten wir erst zweimal Volksabstimmungen; einmal aus einem politischen Grund, was das AKW Zwentendorf anlangt, und einmal aus der rechtlichen Notwendig­keit heraus, als Österreich der Europäischen Union beigetreten ist. Wir haben in Öster­reich also keine Tradition in dieser Frage, sondern wir haben ein anderes politisches System, meine Damen und Herren. (Abg. Strache: Nur weil wir keine demokratische Tradition haben, soll man Demokratie nicht stärker ausbauen!? Das ist ein schwaches Argument!)

Ich stehe auch zu unserem politischen System, das lautet: Wir wählen Abgeordnete, die darüber entscheiden, was für Österreich gut ist. Und ich glaube, dass die Österrei-


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