Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll65. Sitzung / Seite 53

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stimmen, um ihn freundlich zu stimmen. Es ist der Eindruck entstanden, dass es um keine europapolitische Neuüberzeugung geht. – Und das ist der Punkt bei dieser Dis­kussion, der so verstimmt macht! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Politik machen heißt: überzeugen! Wären Sie tatsächlich von der Europäischen Union und von den Änderungen, die Sie dort machen wollen, überzeugt gewesen, hätten Sie ja eineinhalb beziehungsweise zwei Jahre Zeit gehabt, das auf europäischer Ebene auch durchzusetzen.

Da gab es auch einige Ankündigungen, etwa eine konsequente Anti-Atom-Politik; in der Verkehrspolitik gab es Dutzende Ankündigungen auch vom jetzigen Spitzenkandi­daten Faymann. Sie haben nur wenig davon eingehalten. Und Sie reden sich jetzt auf eine Situation aus – nämlich auf die soziale Schieflage, auf die Probleme, die viele Menschen in Österreich haben, mit ihrem Einkommen nicht mehr leben zu können, ob­wohl sie arbeiten, Reallohnverluste – und sagen: Ja, wenn die Menschen mit der Euro­päischen Union so unzufrieden sind – und die Europäische Union ist für diese soziale Schieflage offensichtlich verantwortlich –, dann sollen sie auch darüber abstimmen!

Die Wahrheit ist eine andere. Die Wahrheit ist, dass der Großteil der Sozialpolitik, der Verteilungspolitik, der Gerechtigkeitsfragen in den letzten eineinhalb Jahren in den Händen der SPÖ gelegen ist. Und diese Bilanz ist desaströs, die ist tatsächlich desas­trös! Sie haben angekündigt, die Arbeitslosigkeit zu senken, die Jugendarbeitslosigkeit zu senken. Da ist teilweise etwas gelungen. Bei den großen politischen Verteilungsfra­gen haben Sie sich aber konsequent auf die falsche Seite gestellt.

Ich weiß nicht, was Sie dazu bewegt hat, jetzt bei den letzten Nationalratssitzungen weitere Steuerprivilegien für die 3 316 Stiftungen in Österreich zu verabschieden! Das nutzt 10 000 Menschen in Österreich etwas, aber den Alleinerzieherinnen, den Men­schen, die arbeiten, aber davon nicht mehr leben können, den Pensionistinnen und Pensionisten, die seit 1995 keinen realen Zuwachs bei ihren Einkommen, bei ihren Löhnen zum Beispiel haben, nützt das gar nichts. Und das ist ausschließlich österrei­chische Sozialpolitik, Gerechtigkeitspolitik, die Sie nicht gemacht haben! (Beifall bei den Grünen.)

In der Europa-Diskussion sind im Übrigen sowohl ÖVP als auch SPÖ von der Regie­rungsseite sehr intensiv auf Tauchstation gegangen. Den Großteil der Überzeugungs­arbeit haben im Wesentlichen die Erste Präsidentin und der Bundespräsident geleistet.

Unsere Meinung ist: Dieser Vertrag ist zwar jetzt offensichtlich gescheitert, aber die Teile, die darin gut waren – zum Beispiel die Grundrechte-Charta, die Aufwertung des Europaparlaments, aber auch die Möglichkeit, Volksbegehren zu machen –, sollte man nicht vergessen und durch populistische Politik einfach dahinziehen lassen! Wir sollten vielmehr die Möglichkeit nutzen, das für die Menschen in Europa zu retten!

Und einen letzten Satz noch: Meinungen ändern – okay; ohne Überzeugung – nein! Das, was gestern geschehen ist, ist eine Sonderklasse des Änderns von Meinungen. Sie haben jetzt noch im letzten Moment, wo Sie als SPÖ die Möglichkeit hätten, die Einlösung von Versprechen, die Sie vor der Wahl gemacht haben, nachzuholen – zum Beispiel die Studiengebühren abzuschaffen –, diese wiederum gebrochen, noch dazu mit folgender Aussage, und ich zitiere da Frau Landeshauptfrau Burgstaller, die ge­meint hat: Mit Anstand soll diese Koalition zu Ende gehen. – Wenn als „Anstand“ be­zeichnet wird, dass man das Parlament jetzt in den letzten drei Tagen knebelt und es keine Möglichkeit gibt, hier Mehrheiten zuzulassen, dann weiß ich nicht, was Anstand ist! (Beifall bei den Grünen.)

9.45

 


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