Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung / Seite 33

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Abg. Dr. Mitterlehner –: Seien Sie nicht so neidig! – Abg. Dr. Stummvoll: Ein typischer Jarolim-Zwischenruf ist das!)

 


9.41.16

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Da­men und Herren auf der Regierungsbank! Werter Herr Minister Faymann, schön, dass Sie heute da sind, ohne dass eine Mehrheit des Parlaments Sie herbeizitieren musste. Danke schön! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Gestern am Abend bin ich ein bisschen früher als sonst nach Hause gefahren und bin an Plakatwänden vorbeigefahren, wo ich eingelullt wurde von Schlagwörtern wie „Ge­nug gestritten“, „Neu regieren“. Ein paar Minuten später, zu Hause vor dem Fernseher, befand ich mich wieder in der brutalen Realität des Wahlkampfs, nämlich bei der Fern­sehkonfrontation „Faymann gegen Molterer“.

Ich habe mir gedacht: „Genug gestritten!“, heißt es zwar, aber wir mussten gestern wie­der einmal das Gegenteil erleben. Und wenn wir heute die Diskussion genauso weiter­führen, nämlich, dass wir von der Realität überhaupt nicht mehr sprechen, sondern nur mehr noch in Schlagwörtern reden, so wie auch jetzt bei der Verkehrsdiskussion, dann hat die Bevölkerung noch weniger Grund, uns weiterhin zu vertrauen. Der Wider­spruch, den ich hier sehe, zwischen dem, von dem Sie sprechen, und dem, was die Realität ist, ist wirklich bemerkenswert.

Sie haben gestern gesagt, dass es einen öffentlichen Verkehr im ländlichen Raum de facto nicht gibt. Sie haben auch in der letzten Sitzung einen Qualitätsschub und eine Ausbauoffensive für die Öffis abgelehnt. Wie passt das zusammen? Ich verstehe das alles nicht mehr!

Wir haben in Österreich eines der dichtesten Straßennetze der Welt und eines der dichtesten Autobahnnetze der Welt. Seit dem Jahr 2000 wird noch mehr in diese Infra­struktur investiert, aber die öffentlichen Verkehrsmittel sind finanziell vor dem Aushun­gern. Wir sind weit davon entfernt, in jedes Dorf Bus, Bahn, Bim gebracht zu haben. Da denke ich mir schon, es ist bemerkenswert, wenn angesichts dieses Umstandes ein Verkehrsminister im Fernsehen feststellt, im ländlichen Raum sei de facto kein öffentli­cher Verkehr vorhanden. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn wir jetzt von Zukunftsinvestitionen reden, dann ist es, glaube ich, allerhöchste Zeit, diesen Schwenk endlich einmal auch im Kopf zu realisieren, nämlich, was die wirklichen Zukunftsinvestitionen sind. Herr Minister Faymann, das ist nicht mehr der Autobahnbau, das ist nicht der Ausbau des hochrangigen Verkehrsnetzes, das Tunnel­bauen, das Bauen von zweiten Tunnelröhren, sondern das ist ein konsequenter Aus­bau des öffentlichen Personennahverkehrs. Das wäre eine echte Entlastung für die Menschen, die unter der Teuerung leiden und nach wie vor auf das Auto angewiesen sind und keine Chance haben, da alleine herauszukommen. Ob das im Südburgenland ist oder in Oberkärnten oder in weiten Teilen der Steiermark, diese Menschen haben keine Wahl. Sie haben diese Notwendigkeit der Wahlfreiheit die letzten zwei Jahre im wesentlichen ignoriert und nichts dazu beigetragen, dass sich diese Situation verbes­sert. Das ist die Realität! (Beifall und Bravorufe bei den Grünen.)

In anderen Ländern diskutiert man diesbezüglich deutlich progressiver. In Großbritan­nien zum Beispiel wird seit 1997 im Bereich des hochrangiges Straßennetzes nicht mehr weiter ausgebaut. Dort hat man die Zeichen der Zeit erkannt und investiert ganz massiv in den öffentlichen Personennahverkehr.

Wir haben in einer der letzten Sitzungen beantragt, die unserer Meinung nach lächerli­chen 15 Millionen €, die Gemeinden und Städte für die Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs als Zuschuss erhalten, deutlich zu erhöhen, nämlich auf 200 Mil-


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