Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung / Seite 376

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Soweit ich es verstanden habe, beantragt Herr Abgeordneter Bösch Folgendes: Die Entschließung richtet sich an den Bundeskanzler und die Außenministerin, dass diese die Ratifizierung widerrufen. – Das ist verfassungsrechtlich überhaupt nicht möglich! Es kann eine Ratifizierung, die abgeschlossen, die im Bundesgesetzblatt kundgemacht ist, nicht widerrufen werden!

Mit Verlaub gesagt: Ein solcher Antrag kann nicht abgestimmt werden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Steibl.)

1.42


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner von der Regierungs­bank aus ist Herr Staatssekretär Dr. Winkler. – Bitte.

 


1.43.01

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angele­genheiten Dr. Hans Winkler: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzgeber der Bundesverfassung – und das sind Sie, ver­ehrte Abgeordnete – hat in Vorbereitung des EU-Beitrittes und seither bei den Ver­tragsänderungen von Nizza und Amsterdam das österreichische Rechtssystem und insbesondere auch das österreichische Verfassungssystem entsprechend angepasst und unsere Bundesverfassung EU-tauglich gemacht, und diese geänderte Bundesver­fassung hat sich hervorragend bewährt: Die österreichischen Interessen können in der Europäischen Union durch die Bundesregierung, durch die verschiedenen Minister her­vorragend wahrgenommen werden – und ich möchte auch besonders an die österrei­chische Präsidentschaft erinnern. (Beifall bei der ÖVP.)

Die letzte Anpassung der österreichischen Bundesverfassung im Zusammenhang mit EU-Verträgen ist erst vor wenigen Monaten passiert. Man hat einige Dinge klargestellt, man hat vor allem eine sehr nützliche und sinnvolle Trennung zwischen Staatsverträ­gen im Allgemeinen und EU-Verträgen im Besonderen gemacht. Das ist durchaus ver­nünftig gewesen.

Mit gutem Grund hat man sich seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union nicht mit den Bestimmungen betreffend Volksabstimmungen beschäftigt. Das war auch überhaupt nicht notwendig! Frau Abgeordnete Lunacek hat das bereits völlig zu Recht gesagt: Es gibt Bestimmungen in unserer Bundesverfassung, die eine zwingende Volksabstimmung vorsehen, wenn es sich um eine Gesamtänderung der Bundesver­fassung handelt (Abg. Strache: Na, was ist das? – Eine Gesamtänderung!), und sie sieht die Möglichkeit vor, wenn sich die entsprechenden Mehrheiten im Parlament fin­den, auch eine fakultative Volksabstimmung zu machen.

Es hat zu Recht, weil das, so glaube ich, alle österreichischen Verfassungsrechtler – jedenfalls die anerkannten österreichischen Verfassungsrechtler – festgestellt haben, keine zwingende Volksabstimmung über den Vertrag von Lissabon gegeben. (Abg. Strache: Herr Klecatsky?! Der Doyen des österreichischen Verfassungsrechts Klecats­ky sagt genau das Gegenteil!)

Nun soll also durch diesen Vorschlag unsere Bundesverfassung geändert werden, und sie soll in einem Schnellverfahren geändert werden. Ehrlich gestanden, verehrte Abge­ordnete, die österreichische Bundesverfassung ist ein wichtiges Dokument! Sie sollte nicht in einem Schnellverfahren ohne Beratung, ohne Begutachtungsverfahren verän­dert werden!

Der Antrag, der uns vorliegt – ich bin jetzt sehr vorsichtig, ich habe sehr wohl vernom­men, was Frau Präsidentin Prammer bei einem anderen Anlass gesagt hat bezüglich dessen, was man von der Regierungsbank aus tun kann und was man nicht tun soll –, ist juristisch, und ich sage es jetzt einmal vorsichtig, hinterfragbar. Und er geht zumin-


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