Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll8. Sitzung / Seite 175

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gemacht hat, war eine politische Wertung in einer politischen Kundgebung im Rahmen eines Wahlkampfes. Es waren eigentlich zwei Kundgebungen nach dem letzten Stand, sie habe zwei Äußerungen gemacht, es waren zwei politische Wertungen und zwei po­litische Äußerungen in einer politischen Kundgebung, heißt es. Somit sind wir uns ein­mal klar darüber, dass wir hier im politischen Bereich sind.

Man kann jetzt noch die Frage stellen – und daran wird ja auch die Auslieferung ge­messen –, ob der notwendige zeitliche Zusammenhang mit ihrem Mandat zum Natio­nalrat besteht. Das wird zwar im Gesetz nirgends gefordert, denn das Gesetz gewährt dem Abgeordneten für seine politische Tätigkeit Immunität. Das heißt im Prinzip, wenn wir feststellen: Das ist ein politischer Ausspruch!, dann ist hierfür die Immunität zu ge­währen. Allerdings ist es Spruchpraxis hier – so wurde ich jedenfalls informiert –, den politischen Zusammenhang dann nicht mehr zu akzeptieren, wenn die Äußerung nicht zumindest in dem Wahlkampf gefallen ist, der der Wahl des Abgeordneten unmittelbar vorangegangen ist. Das ist zugegebenermaßen nicht der Fall gewesen, sondern es war der Wahlkampf für die Grazer Gemeinderatswahl, die wiederum dem Nationalrats­wahlkampf unmittelbar vorangegangen ist.

Das ist also eine unmittelbare Folge von politischen Tätigkeiten, über die man diskutie­ren kann, ob sie unserer Spruchpraxis entsprechend noch einen Zusammenhang zu ihrer Tätigkeit als Nationalratsabgeordnete darstellt. Aber ich gebe zu bedenken: Das ist Praxis und nicht das Gesetz.

Dann ist noch etwas zu überlegen: Wir haben hier eine Anklage, und diese Anklage stammt von der dazu berechtigten Behörde, nämlich vom zuständigen Staatsanwalt, und daher haben wir uns damit zu beschäftigen. Aber wenn wir eine politische Frage beantworten, sollten wir uns auch genau anschauen, was hier angeklagt wird. Ange­klagt wird eine Wertung der Kollegin Winter über den Islam. Diese Meinung kann man teilen oder nicht teilen – viele teilen sie nicht, eine kleine Minderheit teilt sie vielleicht.

Aber es handelt sich um eine politische Meinung und um eine politische Wertung. Das dem Tatbestand der Verhetzung und Herabwürdigung religiöser Lehren zu unterstel­len, ist an sich schon gewagt, daraus eine Anklageschrift zu – ich bezeichne es ein bisschen abwertend – „basteln“, ist gewagt, im Rechtsstaat natürlich aber gedeckt.

Man kann alles einmal anklagen, sofern sich eine Anklagebehörde findet und sofern ein Einspruch gegen die Anklageschrift an der nächsthöheren Stelle kein Gehör findet. Aber das ist schon problematisch. Und da müsste man sich bei einer politischen Wer­tung der ganzen Vorgänge und Beurteilung im Sinne unseres Verständnisses von Im­munität die Frage stellen: Ist das eine Anklage, die wir überhaupt unterstützen wollen?, oder wollen wir hier nicht eine Grenze ziehen und sagen: Dann, wenn politische Äuße­rungen kriminalisiert werden, indem man sie einem Straftatbestand unterstellt, dem sie zugegebenermaßen, weil dieser in beiden Fällen sehr, sehr weich gefasst ist, unter­stellt werden können, wenn man ihn ein bisschen weit auslegt, spielen wir nicht mit.

Oder akzeptieren wir, dass man durch weite Auslegung politischer Tatbestände – um solche handelt es sich – politische Äußerungen kriminalisiert? Da habe ich, vorsichtig ausgedrückt, meine Bedenken.

Nichtsdestotrotz haben wir im Ausschuss zugestimmt und werden wir auch hier zustim­men, den politischen Zusammenhang zu verneinen, und zwar aus zwei Gründen:

Erstens, weil Frau Dr. Winter persönlich darum ersucht hat, weil sie sich der Sache stellen will, weil sie vor den österreichischen Gerichten ihren Fall darlegen will und
die Entscheidung eines österreichischen Gerichtes will. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Das ist aber kein Maßstab!) Das verstehe ich jetzt leider nicht, das musst du mir nachher sagen. (Abg. Mag. Stadler: Das Wollen eines Abgeordneten ist


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