Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung / Seite 114

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Die Defizite in einzelnen Ländern betragen laut Prognose: Irland: 11 Prozent, Groß­britannien: 9 Prozent, Spanien: 6 Prozent, Frankreich: 5 Prozent. In Wirklichkeit wissen wir noch gar nicht, ob das jetzt schon die Talsohle ist, oder ob das die Vorboten noch größerer Probleme sein werden. Es werden allein im heurigen Jahr 15 von 25 EU-Mit­gliedsländern die Maastricht-Grenze von 3 Prozent zum Teil massiv überschreiten.

Ich glaube, da sind einige Fragen angebracht, denen sich der Nationalrat und die Öf­fentlichkeit stellen müssen. Ausgelöst wurde das Ganze durch eine gigantische Kredit­blase. Wir bekämpfen jetzt aber genau diese Symptome und diese realen Auswirkun­gen wiederum mit Krediten. Wir bekämpfen – wie es Steinbrück in Deutschland gesagt hat – explodierende Schulden mit Schulden. Und wie werden diese zusätzlichen Schul­den finanziert? – Über inländische Sparguthaben, über den internationalen Kapitalver­kehr und über Geldschöpfung.

Da stellt sich folgende Frage – Geld steht ja nicht unbegrenzt zur Verfügung; Obama wird wahrscheinlich mit einer seiner nächsten Unterschriften ein Ausgabenprogramm in der Größe von 800 bis 1 000 Milliarden US-Dollar bestätigen, wobei manche sagen, das sei noch nicht genug –: Kann es nicht durch diese gigantischen Auswirkungen un­ter Umständen zu einem Crowding-out kommen, sodass bestimmte private Geldneh­mer durch den gigantischen Bedarf der öffentlichen Hände vom Markt verdrängt wer­den?

Das sind Fragen, die, so glaube ich, sehr ernst zu diskutieren sind. Ich schließe mich einigen Vorrednern an, die gesagt haben, dass es gut ist, dass wir in dieser Europäi­schen Union sind, meine Damen und Herren. Stellen Sie sich vor, wir wären wie Is­land – und das ist keine schlechte Volkswirtschaft, das sind tüchtige Leute –alleine, weder in der EU noch in der Eurozone; oder wie die Ungarn zwar in der Union, aber nicht in der Eurozone; oder wir hätten eine Wirtschaft, die nicht so wettbewerbsstark und innovativ ist wie die österreichische!

Daher sage ich: Dieses Europa schützt und nützt. Und mit Verlaub gesagt: Gegen die Krise hilft uns keine Volksabstimmung. Auch das sage ich hier im vollen Ernst. Wir soll­ten die Kräfte auf die Bewältigung der Fragen konzentrieren – und nicht auf Scheinfra­gen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Europa schützt und nützt uns, und es ist natürlich richtig, hier gemeinsam vorzugehen, wie es Josef Pröll beim ECOFIN gestern getan hat. Wir müssen jetzt die richtigen Maßnahmen setzen, aber dann so rasch wie möglich auf den Pfad der Konsolidierung zurückkehren; sonst verschulden wir die kommenden Genera­tionen in einem geradezu ungeheuerlichen Ausmaß, wofür wahrscheinlich niemand von uns plausible Argumente finden und es erst recht nicht verantworten kann.

Daher: jetzt helfen, richtig investieren! Es war richtig, das Finanzsystem und die Ban­ken zu stabilisieren. Das ist ja keine Hilfe an die Banker, das ist eine Hilfe, damit über­haupt das marktwirtschaftliche Wirtschaftssystem funktionieren kann, damit sozusagen der Blutkreislauf der Wirtschaft funktioniert. Das war richtig. Es war richtig, dass etwa die Europäische Zentralbank – auch das wird jetzt wenig beachtet – innerhalb weniger Monate die Zinssätze von 4,25 Prozent auf wahrscheinlich demnächst 1,5 Prozent zu­rücknehmen wird. Es war richtig, dass der ECOFIN und auch der Europäische Rat hie­zu gemeinsame Programme durchführt, die aufeinander abgestimmt sind und sich da­rauf konzentrieren sollen, das Richtige zu tun.

Es ist auch richtig, in Österreich gegenzusteuern, und zwar vor allem mit langfristig sinnvollen Maßnahmen, die uns nicht kurzfristig helfen, irgendetwas zu stimulieren, sondern mit Maßnahmen, von denen wir auch langfristig profitieren. Ich denke da et­wa an erneuerbare Energie und an die Frage, wie wir von einem oder zwei Energie­lieferanten weniger abhängig werden sowie insgesamt die Produktivität und die Innova­tionskraft der Wirtschaft stärken können.

 


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