11.02
Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Beitrag von Klubobmann Cap hat jetzt wahrscheinlich nicht so deutlich darauf hingewiesen, aber im Grunde diskutieren wir heute das „Steuerreformprojekt“ – unter Anführungszeichen – der Bundesregierung. Und es lohnt sich schon, ein paar nüchterne Blicke darauf zu werfen oder auch ein paar nüchterne Anmerkungen zu diesem Projekt zu machen. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)
Vorweg: Superlative sind bei dieser Steuerreform bei Weitem
nicht angebracht. Und viel Gutes bleibt mir nicht zu befinden. Ich möchte
das Positive aber voranstellen:
Mit dieser Steuerreform, mit diesem Projekt wird eine Privilegiendebatte
beendet, nämlich die steuerliche Begünstigung von Stock
Options – das ist eine steuerliche Begünstigung von
Manager-Zusatzeinkommen. Die wird abgeschafft. Das ist gut so, und wir bekennen
auch, dass das eine richtige und wichtige Maßnahme war. Wir haben
es auch lange genug gefordert. – Das ist positiv. (Beifall bei
den Grünen sowie des Abg. Krainer.)
Allerdings: Von einer Steuerreform im ureigenen Sinne des Wortes – nämlich des Wortes „Reform“ – kann man nicht sprechen. Es handelt sich im Wesentlichen um eine Tarifsenkung in der Größenordnung von 2,3 Milliarden € und um ein zusätzliches Familienpaket in der Größenordnung von 500 Millionen €. Ich denke, die Zeiten, also die krisenhaften Entwicklungen auf den Finanzmärkten und dann auch in der Realwirtschaft, lassen für ein österreichisches Parlament nur zwei Fragen zu, nämlich: Welchen Beitrag leistet diese Steuerreform zur Sicherung von Arbeitsplätzen, zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit, welchen Beitrag leistet sie zur Konjunktur? Und: Welchen Beitrag leistet diese Steuerreform, um auch die weit auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich in Österreich zu schließen? – Das sind die zwei großen Prüfpunkte, anhand derer man dieses „Reformprojekt“ – unter Anführungszeichen – überprüfen muss. Und diese beiden Prüfungen besteht das Projekt nicht! (Beifall bei den Grünen.)
Der Herr Sozialminister hat vor wenigen Wochen einen Bericht vorgelegt – dankenswerterweise, muss man sagen, der Inhalt ist allerdings erschreckend! Der Inhalt ist alarmierend, und er betrifft die soziale Situation in Österreich, das Auseinanderklaffen zwischen Arm und Reich. Wir haben mittlerweile die Situation, dass das reichste Promille in Österreich – das sind ein paar Tausend Menschen – über mehr Vermögen verfügt als die Hälfte der österreichischen Bevölkerung. Das ist ein dramatischer Befund, und man möchte meinen, dass mit einer Steuerreform – wie es auch viele Wirtschaftswissenschafter, aber auch Experten aus allen Interessenvertretungen immer wieder gefordert haben – auch eine Strukturreform mit einhergeht, nämlich dass man den Faktor Arbeit, das Arbeiten entlastet und das arbeitslose Einkommen – nämlich das Einkommen über Vermögen – belastet. Diesbezüglich ist Österreich international Schlusslicht, eines der schlechtesten Länder im OECD-Vergleich.
Man möchte meinen, dass das auch auf der Regierungsbank in irgendeiner Form angekommen ist. – Mitnichten! Während der Sozialminister in seiner Zeit als Gewerkschaftspräsident noch mit aller Deutlichkeit betont hat, eine Steuerreform ohne zusätzliche Vermögensteuern werde es nicht geben, das sei der Eckpfeiler einer Steuerreform in Österreich, hat er dieses Vorhaben als Sozialminister weitgehend abgelegt und kann sich aus meiner Sicht auch nicht einmal mehr daran erinnern, denn es ist mir nicht bekannt, dass man sich in den Verhandlungen für eine Einschränkung dieser unglaublichen Schere eingesetzt hätte. Im Gegenteil, es geht um ganz andere Dinge.
Der traurige Befund ist, dass ein Großteil der Bevölkerung, der es dringend braucht, nicht entlastet werden kann, weil man sich nicht traut, eine wesentliche Strukturfrage anzugehen, nämlich die niedrige Besteuerung – oder de facto Gar-nicht-Besteuerung – von Vermögen in Österreich. (Beifall bei den Grünen.)
HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite