Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll16. Sitzung / Seite 68

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11.02.29

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Da­men und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Beitrag von Klubobmann Cap hat jetzt wahrscheinlich nicht so deutlich darauf hinge­wiesen, aber im Grunde diskutieren wir heute das „Steuerreformprojekt“ – unter Anfüh­rungszeichen – der Bundesregierung. Und es lohnt sich schon, ein paar nüchterne Bli­cke darauf zu werfen oder auch ein paar nüchterne Anmerkungen zu diesem Projekt zu machen. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Vorweg: Superlative sind bei dieser Steuerreform bei Weitem nicht angebracht. Und viel Gutes bleibt mir nicht zu befinden. Ich möchte das Positive aber voranstellen:
Mit dieser Steuerreform, mit diesem Projekt wird eine Privilegiendebatte beendet, nämlich die steuerliche Begünstigung von Stock Options – das ist eine steuerliche Be­günstigung von Manager-Zusatzeinkommen. Die wird abgeschafft. Das ist gut so, und wir bekennen auch, dass das eine richtige und wichtige Maßnahme war. Wir haben
es auch lange genug gefordert. – Das ist positiv. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Krainer.)

Allerdings: Von einer Steuerreform im ureigenen Sinne des Wortes – nämlich des Wor­tes „Reform“ – kann man nicht sprechen. Es handelt sich im Wesentlichen um eine Ta­rifsenkung in der Größenordnung von 2,3 Milliarden € und um ein zusätzliches Fami­lienpaket in der Größenordnung von 500 Millionen €. Ich denke, die Zeiten, also die kri­senhaften Entwicklungen auf den Finanzmärkten und dann auch in der Realwirtschaft, lassen für ein österreichisches Parlament nur zwei Fragen zu, nämlich: Welchen Bei­trag leistet diese Steuerreform zur Sicherung von Arbeitsplätzen, zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit, welchen Beitrag leistet sie zur Konjunktur? Und: Welchen Beitrag leis­tet diese Steuerreform, um auch die weit auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich in Österreich zu schließen? – Das sind die zwei großen Prüfpunkte, anhand derer man dieses „Reformprojekt“ – unter Anführungszeichen – überprüfen muss. Und diese beiden Prüfungen besteht das Projekt nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Der Herr Sozialminister hat vor wenigen Wochen einen Bericht vorgelegt – dankens­werterweise, muss man sagen, der Inhalt ist allerdings erschreckend! Der Inhalt ist alarmierend, und er betrifft die soziale Situation in Österreich, das Auseinanderklaffen zwischen Arm und Reich. Wir haben mittlerweile die Situation, dass das reichste Pro­mille in Österreich – das sind ein paar Tausend Menschen – über mehr Vermögen ver­fügt als die Hälfte der österreichischen Bevölkerung. Das ist ein dramatischer Befund, und man möchte meinen, dass mit einer Steuerreform – wie es auch viele Wirtschafts­wissenschafter, aber auch Experten aus allen Interessenvertretungen immer wieder gefordert haben – auch eine Strukturreform mit einhergeht, nämlich dass man den Faktor Arbeit, das Arbeiten entlastet und das arbeitslose Einkommen – nämlich das Einkommen über Vermögen – belastet. Diesbezüglich ist Österreich international Schlusslicht, eines der schlechtesten Länder im OECD-Vergleich.

Man möchte meinen, dass das auch auf der Regierungsbank in irgendeiner Form an­gekommen ist. Mitnichten! Während der Sozialminister in seiner Zeit als Gewerk­schaftspräsident noch mit aller Deutlichkeit betont hat, eine Steuerreform ohne zusätz­liche Vermögensteuern werde es nicht geben, das sei der Eckpfeiler einer Steuerre­form in Österreich, hat er dieses Vorhaben als Sozialminister weitgehend abgelegt und kann sich aus meiner Sicht auch nicht einmal mehr daran erinnern, denn es ist mir nicht bekannt, dass man sich in den Verhandlungen für eine Einschränkung dieser un­glaublichen Schere eingesetzt hätte. Im Gegenteil, es geht um ganz andere Dinge.

Der traurige Befund ist, dass ein Großteil der Bevölkerung, der es dringend braucht, nicht entlastet werden kann, weil man sich nicht traut, eine wesentliche Strukturfrage anzugehen, nämlich die niedrige Besteuerung – oder de facto Gar-nicht-Besteuerung – von Vermögen in Österreich. (Beifall bei den Grünen.)

 


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