Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll16. Sitzung / Seite 91

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Meine Damen und Herren, in einem muss man Herrn Pröll ja recht geben: Wir haben die schwerste Wirtschaftskrise seit 1945 vor uns – nicht hinter uns, sondern vor uns! Natürlich legt dies nahe, zu fragen: Ist diese Steuerentlastung, die wir heute behan­deln, konjunkturpolitisch angemessen und ausreichend, ja oder nein? – Die Antwort lautet eindeutig: Nein!

Das ist keine Spekulation, das sind simple Fakten, verehrte Kollegen und Kolleginnen von SPÖ und ÖVP! Ich weiß nicht, bei welchem Hearing Sie waren, Herr Finanzminis­ter Pröll; ich hätte gedacht, wir waren gemeinsam beim selben Hearing. Jedenfalls ha­be ich dort von allen anwesenden Experten – egal, von welcher Fraktion nominiert – et­was anderes als Sie gehört. (Abg. Ing. Westenthaler: Das stimmt!)

Der optimistischste von allen, Herr Kollege Farny von der Arbeiterkammer, hat davon gesprochen, dass dieses Paket vielleicht Arbeitsplätze in der Größenordnung von 13 000 in Österreich sichert. Schön, das ist gut! (Abg. Krainer: „Schafft“, hat er ge­sagt!) Sichert, Herr Kollege – und um wie viel nimmt die Arbeitslosigkeit in Österreich derzeit gerade zu? Wie viele waren das denn? Waren das nicht gerade 50 000 mehr in Österreich? (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Und wie viele werden es am Ende des Jahres sein?

Ich will damit nur sagen: Ja, jede Maßnahme, die die Arbeitslosigkeit in Österreich be­kämpft, ist gut, sie direkt oder indirekt bekämpft, ist gut. Aber tun Sie doch nicht so, als würde diese relativ kleine Steuerentlastung in der Größenordnung von 1 Prozent des BIP das Problem lösen. Nein, sicher nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der FPÖ.)

Es kommt etwas hinzu, was wir nicht müde werden zu betonen: Sie hätten mit dem gleichen Einsatz, mit der gleichen Kreditfinanzierung und der gleichen Defiziterhöhung, mehr erreichen können. Sie hätten mehr erreichen können, indem Sie sich konzentriert hätten auf die untersten und unteren Einkommen, im Jargon der Ökonomen: auf jene Leute, die eine hohe Konsumquote haben.

Herr Kollege Schieder hat heute nebenbei gesagt: Na ja, rund 60 oder 70 Prozent die­ser Steuerentlastung gehen direkt in den Konsum. Damit sagt er indirekt, dass die mar­ginale Sparquote 30 bis 40 Prozent beträgt. Das verpufft konjunkturpolitisch wirkungs­los, Herr Kollege Schieder! (Staatssekretär Mag. Schieder: Langfristig ...!) – Wir reden nicht von langfristig, wir reden von der Wirtschaftskrise jetzt! (Staatssekretär Mag. Schieder: Langfristig ist nächstes Jahr!) Jetzt, 2009/2010! (Beifall bei den Grü­nen.)

Erzählen Sie mir nichts über langfristig im Jahr 2020! Das sind auch wichtige Fragen, da werden wir zum Beispiel fragen: Wie haben Sie sich ökologisch bewährt? Nehmen Sie überhaupt wahr, was Obama in den USA macht, diese Mischung aus ökonomisch und ökologisch? – Nein, das tun Sie nicht! Aber das ist ein separates Problem.

Kurzfristig hätten Sie mehr erreichen können, indem Sie sich auf die unteren Einkom­men konzentriert hätten. Das haben Sie nicht getan, insofern ist dieses Konjunkturpa­ket – im Ökonomenjargon – ineffizient! (Beifall bei den Grünen.)

Sie hätten natürlich die Steuern auf Arbeit noch weit stärker senken können ohne In­kaufnahme eines höheren Defizits, wenn Sie eine Gegenfinanzierung zugelassen hät­ten im Bereich jener Steuern, die konjunkturpolitisch, wie soll ich sagen, neutral sind. Das sind in erster Linie die Vermögensteuern; das an die Adresse der SPÖ.

Aber jetzt noch etwas zur ÖVP: Wir haben in Österreich eine bemerkenswerte Situa­tion. Das Zinsniveau sinkt seit Monaten, durch Maßnahmen der EZB, der Bank of Eng­land und so weiter. In Österreich steigen die Kosten der Kreditfinanzierung für die Re­publik, der sogenannte Spread ist auf einer historischen Höhe. Ich habe das noch nie


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