Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll23. Sitzung / Seite 713

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13.53.52

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Hohes Haus! Wir haben das bis jetzt immer im Rahmen der Geschäftsordnungsdebatten abgehandelt. Es tut mir leid, dass wir nicht über die wirklich gute Arbeit der Frau Ministerin reden, sondern hier eine sehr uner­freuliche Diskussion führen müssen. Sie hätte es verdient, dass wir hier ihre Arbeit einer durchaus größeren Würdigung unterziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber wir haben gestern schon beim Hinweis auf die Äußerungen, die der Dritte Nationalratspräsident gegenüber dem Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde getätigt hat, nicht nur eine üble Nachrede herausgelesen, sondern wir haben da auch einen strafrechtlich relevanten Tatbestand gesehen. Wir haben die Meinung ver­treten, dass sich das auch lohnt, einer Untersuchung unterzogen zu werden, und haben daraus den Schluss gezogen, dass es daher nur logisch wäre, wenn der Dritte Präsident auf sein Amt verzichten würde. Ich sage Ihnen noch, wir haben auch erwartet, dass er zumindest die Äußerungen zurückzieht oder sich entschuldigt.

Auch das hat Herr Dr. Graf nicht getan; er ist dabei geblieben. Jetzt kommt noch etwas dazu. Er hat dann noch gegenüber der Austria Presse Agentur in einer Erklärung vom 27. Mai folgende Äußerung zugefügt. Graf sagte – ich zitiere –:

„,Wir sind keine Nazis und ich schon gar nicht.‘ Allerdings betonte Graf, dass sich die FPÖ an den ,antifaschistischen Grundkonsens‘ nicht gebunden fühle. ,Wir sehen das nicht so, dass der antifaschistische Grundkonsens die Grundlage unserer Demokratie ist‘, so Graf.“ (Abg. Vilimsky: Das ist ein DDR-Kampfbegriff!) – Nein, nein!

Dieser Äußerung möchte ich aber schon noch etwas hinzufügen. (Abg. Vilimsky: Das ist ein ideologischer Kampfbegriff der DDR!) – Nein, der antifaschistische Grund­konsens der Zweiten Republik begann mit der Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945, steht im Verfassungsgesetz vom 1. Mai 1945 über die Wiederherstellung des Rechtslebens in Österreich und im Staatsvertrag von Wien vom 15. Mai 1955, der bis heute seine unveränderte Gültigkeit hat, Anerkennung genießt, und nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist die kompromisslose Ablehnung des Nationalsozialismus ein grundlegendes Merkmal der 1945 wiedererstandenen Re­publik. (Abg. Mag.  Stefan: Was hat das damit zu tun? – Abg. Vilimsky: Geh bitte, Cap, das ist lächerlich! Das glauben Sie doch selber nicht!)

Damit ist aufgrund der Spruchpraxis – was ist da für eine Aufregung? – des Verfas­sungsgerichtshofes und aufgrund der von mir zitierten verfassungsrechtlichen Bestim­mungen des Staatsvertrages, der Unabhängigkeitserklärung eindeutig festge­legt, dass die Zweite Republik auf dem antifaschistischen Grundkonsens basiert. Darauf legen wir ganz, ganz großen Wert. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das ist deswegen auch so wichtig, weil wir hier täglich Schulklassen sehen, die dieses Hohe Haus besuchen. (Zwischenruf des Abg. Dolinschek.) Täglich gibt es Diskus­sionen auch in den Schulen darüber. Wir kennen mittlerweile die Vorfälle von Ebensee und andere Beispiele, bei denen junge Menschen als Täter in der Öffentlichkeit bekannt wurden. Es ist daher ganz entscheidend, dass man gegenüber der jüngeren Generation – aber nicht nur gegenüber dieser – diesen antifaschistischen Grundkon­sens als die Basis der Zweiten Republik, als die Basis unserer Bildungsarbeit und als die Basis des Selbstverständnisses dieses Hauses auch in aller Deutlichkeit, auch Ihnen gegenüber, darstellt.

Herr Präsident Graf, daher bin ich der Auffassung, wenn Sie sich an diesen Grund­konsens und dieses Selbstverständnis nicht gebunden fühlen, dann ist Ihr Amtsverzicht logisch. Wenn der Amtsverzicht nicht erfolgt, dann ist, glaube ich, der nächste logische Schritt, dass man hier an eine Gesetzesänderung denkt, die es ermöglicht, dass im


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