sich als notwendig erweist. Die bisherigen Ergebnisse der Befragungen machen die Ladung von amtierenden und ehemaligen Regierungsmitgliedern unumgänglich: Vom Bereich der Staatsanwaltschaft Wien bis zu den Ermittlungsbehörden des Innenministeriums hat sich ein System gebildet, das die Bezeichnung Regierungsjustiz durchaus verdient. Es wurden ehemalige Regierungsmitglieder regelrecht vor Strafverfolgung geschützt. Auf der anderen Seite wurden Abgeordnete der Oppositionsparteien mit allen zu Gebote stehenden Mitteln und auch darüber hinaus verfolgt. Die verfassungsrechtliche Regelung der Immunität von Abgeordneten wurde schlicht beiseite geschoben. Die Glaubwürdigkeit von Aussagen von Oppositionspolitikern wurde grundsätzlich in Frage gestellt, während man bei Aussagen von Regierungspolitikern automatisch von deren Wahrheitsgehalt ausging und die Ermittlungen möglichst rasch eingestellt wurden. In einem Fall hat die zuständige Staatsanwaltschaft sogar aufgrund des bloßen Vorbringens eines Rechtsvertreters eines Bundesministers sofort Beschlagnahmemaßnahmen angeregt.
Die Häufung dieser im Untersuchungsausschuss ans Tageslicht geförderten Umstände und Umtriebe lässt auf eine Systematik schließen, die ihren Anfang mit dem System „Strasser“ genommen hat. Die „Schwarz-Umfärbung“ im Innenressort und die Schaffung einer rechtlich äußerst umstrittenen Sonderdienststelle namens „BIA“ – „Büro für interne Angelegenheiten“, die unter dem damaligen Bundesminister Dr. Ernst Strasser ihren Anfang genommen hat, bildeten die Grundlage für das aufgedeckte Versagen des Rechtsstaates. Ein politisch agierendes Ermittlungsbüro hat dabei de facto die Führung des Vorverfahrens übernommen, während die Staatsanwaltschaft nur noch formell „Herr des Verfahrens“ ist.
Selbst die Justizministerin hat bereits begonnen, Konsequenzen aus den bisherigen Ergebnissen des Untersuchungsausschusses zu ziehen. Sie hat angekündigt, die politische Abteilung der Staatsanwaltschaft Wien aufzulösen, in deren Bereich ja die berüchtigten „Strasser-Mails“ eigenartigerweise übersehen worden sind. Damit kann der Untersuchungsausschuss zur Untersuchung von Abhör- und Beeinflussungsmaßnahmen im Bereich des Parlaments bereits ein zweites Ergebnis seiner Tätigkeit verbuchen. Der Staatsanwalt, der die Strasser-Mails „übersehen“ hat, wurde ja bereits von politischen Fällen abgezogen. Die getroffenen Verfügungen auf Grund der aufgedeckten Verfehlungen der Staatsanwaltschaft dürfen aber nicht die einzige Konsequenz bleiben.
Nichtsdestotrotz verweigern die Koalitionsvertreter im Untersuchungsausschuss weiterhin die Ladung amtierender wie ehemaliger Regierungsvertreter. Dies erscheint besonders in Anbetracht der Ladungspraxis in vorangegangenen Untersuchungsausschüssen als Affront gegenüber den Oppositionsparteien. Noch im so genannten EUROFIGHTER-Untersuchungsausschuss waren insgesamt einundzwanzigmal ehemalige wie amtierende Regierungsmitglieder als Auskunftspersonen geladen, wobei einige zweimal, dreimal und sogar viermal geladen wurden. Damals war die Klärung der politischen Verantwortlichkeit kein Problem. Gleichzeitig tagte der Banken-Untersuchungsausschuss, wo immerhin siebenmal Regierungsmitglieder befragt wurden. Auch hier stellte die Prüfung der politischen Verantwortlichkeit kein Problem dar. Selbst im Untersuchungsausschuss zur Überprüfung der Amtsführung im BMI und weiterer Ministerien wurden noch drei zuständige Regierungsmitglieder geladen. Ein weiteres Mal stellte die Überprüfung der politischen Verantwortlichkeit kein Problem dar.
Die Blockadepolitik der Regierungsparteien hat nun eine Notwehrgemeinschaft der Oppositionsparteien zum Schutz der parlamentarischen Kontrolle vor dem Missbrauch der Regierungsmacht entstehen lassen. Diese Notwehrgemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, keinen Gesetzesvorlagen, die einer zwei Drittel-Mehrheit bedürfen, zuzustimmen. Ausgenommen davon wird nur eine mögliche Änderung des Geschäftsordnungsgesetzes, die eine Reform der Untersuchungsausschüsse zum Ziel hat.
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